970
403/2
Pempelfort den 26
ten
May
1786.
3
Vermerk von Hamann (nachträgliche Nummerierung mit roter Tinte):
4
Erhalten den 7
Jun.
Geantw
eod.
8 –
No
43.
5
lieber Herzens Vater,
6
Ich habe gleich heute Morgen einen etwas langen Brief u der Nachdenken
7
erforderte an unsern Buchholtz schreiben müßen. Er ist mit der Prinzeßinn
8
zerfallen, u scheint überhaupt sehr hypochonder. Mich verlangt nach seiner
9
Antwort auf meinen heutigen Brief u Beylage. Ich gebe Dir am Dienstag
10
wieder Nachricht von ihm.
11
Da der Brief an Buchholtz fort war, überlegte ich mit Schenk wegen
12
Deines fliegenden Briefes. Darauf gieng ich ein paar Mahl auf u ab in
13
meinem Garten – und auf einmahl eine Allee herauf in vollem Fluge mein
14
homme de chambre
mit einem Packet aus Leipzig. Es waren die
II
letzten
15
Bogen der Resultate. Ich so gleich in mein Zimmer und die Feder in die
16
Hand, ohne weiter ein Auge auf die Bogen zu werfen. Es ist kein geringes
17
was ich Dir da beweise, u wenn Du mich nicht bewunderst, so kennst Du
18
mich nicht.
19
Nun laß Dir zu allererst sagen, Du unaussprechlich Lieber, daß ich mit
20
Deiner gestern eingelaufenen Fortsetzung ganz
superlative
zufrieden bin, u
21
Dich beynah im Verdacht habe, daß Du nur an Deinem Schnurrbart
22
kämmst u wixest, wenn Du von dem Unvermögen Deines Kopfs so viel
23
erzählst. Claudius schrieb mir schon einmahl vor Jahr u Tag, Du kämst ihm
24
vor wie einer der über Strangurie klagte, u dann auf einmahl ein ganzes
25
Nachtgeschirr voll machte. Du sollst sagen ob ich unrecht habe, wenn Du’s
26
gedruckt liesest. Aber auf den zweyten Bogen wird diese Fortsetzung
27
schwerlich kommen, wie mir Schenk so eben bedeutet hat, u mir früher hätte
28
bedeuten sollen, denn ich habe ihm mehr als einmahl gesagt, wie sehr mich
29
darnach verlangte, daß der erste Bogen abgedruckt, u der zweyte gesetzt
30
würde. Ich hoffe Dir heute über 8 Tage einen reinen
Abdr.
Abdruck des
31
ersten Bogens, u vielleicht die Correctur des 2
ten
zu schicken. – Aber bey
32
allem dem, u so herrlich auch Deine Fortsetzung ist, bin ich Deiner
33
Gesundheit wegen äußerst bekümmert – Gott erhalte Dich! – Er wird Dich erhalten;
34
wird Dich zu mir senden. O, Lieber, wenn ich Dich einmahl habe; meine Lene
35
Dich pflegt; meine Lotte Dich küßt; meine Cläre u mein Max Dir zwischen
S. 404
den Beinen stehen – Lieber! Lieber! – Du wirst Dich wiegen in meinem Arm;
2
wiegen, wie vielleicht noch in keines andern Menschen Arm.
3
Die Resultate werden vor Ankunft dieses Briefes in Deinen Händen
4
seyn. Hätte ichs nur bey meiner ersten Verordnung gelaßen, daß Goeschen
5
Dir 6 Exempl. unter Fischers Adreße gleich mit dem Postwagen schicken
6
sollte. Ich folgte Deinem ausdrücklichen Befehl alles durch Hartknoch zu
7
schicken, u gab Goeschen diese neue Weisung. – Von Herdern sind die
8
Resultate nicht. Ich darf
ihn
Dir den Verfaßer nicht nennen, bis Du über das
9
Buch geurtheilt hast. Aber er ist gerade so ein Tropf wie ich, u sieht Dich für
10
einen großen u heiligen Mann an. Was mich nach Deinem Urtheil über
11
dieses Buch verlangt, ist über alles Sagen u Bedeuten.
12
Die Prinzeßinn hat vergeßen den Brief v Lavater zurück zu schicken. Du
13
erhältst ihn nun doch gewiß mit nächster
Post.
14
Deine Versicherung, Herder sey mein wahrer Freund, u finde meine
15
Vertheidigung brav geschrieben, hat mir wohl gethan. Ich werde ihm eine
16
Correctur des 2
ten
Bogens schicken so bald ich eine habe, mit einem
17
reformierten ersten.
18
Herzlichen Dank für die Anmerkungen. Ich finde sie, wenige
19
ausgenommen, ganz richtig. Meine Exceptionen nächstens. Heute nur dieß: das;
S
72.
20
Z 7 ist ganz richtig, weil das darauf folgende auf Sp u nicht auf Leßing gehen
21
soll. Sp hat es gerade so gemacht wie Leßing; er spielt in dem ganzen
Tract.
22
Th. Pol
überall den Christen. Läßt sich auch Christlicher gebrauchen wie
23
Leßing –
Ohe!
24
Du stellst Asmus u
Flaccus
zusammen. Wenn Du unter letzterem Wieland
25
meynst, so vergebe Dir Gott die Sünde. Die feige Memme, das alte Weib,
26
den lahmen schiefen Wetterhahn, an dem man nicht einmahl sehen kann
27
woher der Wind kommt, den mit dem bidern Asmus in einem Othem zu
28
nennen!
29
Und Du Ungläubiger! Wirst sie nun schon haben
den
die 8 Exempl
30
anstatt der versprochenen 7. – Am Sonntag wird doch wieder ein Brief von Dir
31
kommen. Mich verlangt sehr, was Kant gesagt hat. Schütz muß ein rechter
32
armseliger Kerl seyn. Wenn er mir nur noch einmahl mit seinem Verstoß
33
gegen die erste Regel der Logik käme! Ich wollte ihm dagegen aus dem
34
Hüme vorlesen. Es ist schrecklich, die impertinenz bey der Unwißenheit u
35
sorglosen Dumheit. Aber wahrscheinlich hat ihn Kant schon gewarnt – Ich
36
muß es immer wieder sagen, das Geträtsch des Mannes mit dem allerley
37
Gesindel, läßt mir nicht zu eine gute Meynung v ihm zu faßen.
38
Ich sehe u
höh
höre nichts v Reichart, als was neulich in der
S. 405
Hamburger Zeitung stand – Du gedenkst des Gen Maj. v Scholten, aber nicht mit
2
hinlänglicher Belustigung. Von den ernsthaften Gedanken über den Glauben
3
sagst Du nicht ein Wort. – Nenne mir doch ja
den
allen diesen Leuten den
4
Hüme nicht! Es wäre ärgerlich wenn ich mir so lange umsonst die Lippen
5
zerbißen hätte, u die General Vorlesung auf die ich mich freue, ihr
brio
des
6
unerwarteten verlöhre. – Ich habe laut lachen müßen daß es einen
7
Menschen giebt der den
Feder
commentieren kann. – Ich grüße u küße meinen
8
jüngeren Bruder Johann Michael. Laß mich, Lieber, in Deinem Hause
9
wohnen. Du wohnst in dem meinigen – Lieber, ich herze Dich, u bin Dein –
10
Dein Fritz Jonathan
11
Ich habe noch keine Antwort v London, u vermuthe immer mehr daß
12
nichts aus der Reise wird.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 239.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 326.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 223–225.
ZH VI 403–405, Nr. 970.
Zusätze fremder Hand
|
403/4 |
Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
403/2 |
1786. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 1786 |
|
403/4 |
No 43. ]
|
Hinzugefügt nach der Handschrift. |
|
404/13 |
Post. ]
|
Geändert nach der Handschrift; in ZH kein Absatz. |
|
404/19 |
S ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: S. |