986
447/2
Richmont den 28
ten
Juni
1786.


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Vermerk von Hamann (nachträgliche Nummerierung mit roter Tinte):

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Erhalten den 15.
Jul.

5
Erhalten den 15
Julii.
Die zurückgehaltene

6
Antwort den 24 Aug. beygelegt. 
No
48.


7
lieber Herzens Vater!

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Ich erhielt Deinen liebevollen Brief vom 5
ten
zu Gent. Heute hoffe ich

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wieder einen von Dir zu erhalten der eine Antwort ist. Gott weiß mit welchen

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Empfindungen u Gedanken ich an Dir hange. Meine Reise ist sehr glücklich

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gewesen, u es gefällt mir hier über alle Maaßen wohl. Vergangenen

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Sonntag Morgen schiffte ich ein zu Calais. Wir hatten zu wenig u unstäten Wind,

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so das wir 14 Stunden brauchten um nach Dower zu kommen. Den

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folgenden Morgen wurde es 9 Uhr eh ich mein Gepäcke aus dem Zollhause bekam.

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Abends um halb zehn Uhr war ich in London. Von da fuhr ich Sonntag

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Morgens hierher, wo man mich u meine Lene mit großer Freude
empfieng.

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Der Graf Reventlow, den ich nur einmahl vor 2½ Jahren ein paar Tage

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gesehen hatte, wird mir mit jeder Stunde lieber; ich finde daß er seine Julie

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vollkommen verdient. Den wackern Schönborn sah ich hier zum ersten Mahl.

20
Unsere häußliche Gesellschaft würde Dir nicht mißfallen. Zu dieser gehört

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auch der junge
Spalding;
d
ein herzguter Junge, voll der besten Anlagen

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ist. Er muß gewaltig darüber leiden daß er ein
Berliner ist.
Gestern

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Mittag speiste ich mit dem Grafen, der Gräfinn u Lene bey dem rußischen

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Gesandten Grafen v Woranzow in London, in Gesellschaft fast aller

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übrigen Gesandten u einiger Damen. Der einzige Woranzow, den ich den

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Tag zuvor hatte kennen gelernt, gefiel mir in dieser Gesellschaft. Wir

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hatten aber bey dieser Gelegenheit einen großen Theil des westlichen London

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durchfahren, den
S
t
James
Park, u eine herrliche Gemählde Sammlung, für

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die ich die ganze Düßeldorfer Gallerie hingäbe, bey Eger
g
besehen. Nach

30
dem großen
diné
fuhren wir desto vergnügter nach Richmont zurück. Ich

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kam erst gegen 1 Uhr zu Bette; habe zu wenig geschlafen, u befinde mich

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deswegen heute nicht zum Besten. Ein paar stille Tage wären mir nöthig, um

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wieder ganz zu mir selbst zu kommen.

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Von Deiner Fortsetzung habe ich nur die Anrede an Lavater durch Schenk

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erhalten, die auf der andern Seite Deines Briefes stand. Das Quartblat

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hat Schenk zurück behalten. Mit dieser Anrede bin ich höchst zufrieden. Ich

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hoffe Du bist wohl u
kanst,
ohne Deiner Gesundheit zu schaden fortarbeiten.

S. 448
Mich verlangt sehr nach den heutigen Briefen. Schwerlich aber bringen

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sie mir schon die Nachricht daß die Resultate in Deinen Händen sind. Aber

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ich bin denn nun doch gewiß daß sie in Deinen Händen sind. Wäre ich nur

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eben so gewiß, daß Du den Urlaub zu Deiner Reise hast, u auf Deinem

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Vornehmen beharrst. Aber in Wahrheit, ich zweifle auch hieran nicht im Grunde

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meines Herzens. Du wirst kommen. –

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Ich gieng herunter in den Garten. Die Gräfinn erwischte mich da ich im

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Saal meinen Hut holte, u nun kam ich nicht weg, bis wir zu Tische giengen.

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Nun ist es sechs Uhr u
wir
die Briefe sollen in die Stadt. Lebe wohl, lieber

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Herzens Freund u Vater. Ich schreibe Dir bald wieder, wahrscheinlich schon

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mit nächster Post –. Gott mit uns! – O, Du Lieber, wie ich Dich liebe! –

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Grüße von mir, was Du segnest –

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Dein Fritz Jonathan.

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 254 f.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 371.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 277 f.

ZH VI 447 f., Nr. 986.

Zusätze fremder Hand

447/4
–6
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
447/2
1786.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
1786
447/6
No
48.
]
Hinzugefügt nach der Handschrift.
447/16
empfieng.
]
In ZH mit Absatz dahinter.
447/21
Spalding;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Spalding,
447/22
Berliner ist.
]
In ZH mit Absatz dahinter.
447/37
kanst,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
kanst