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Pempelfort, am 4 t Jul. 1786.
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L. V. H!
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Der kranke Jüngling, welcher sich an den Resultaten fast zu Tode
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geschrieben hat, stellet sich hier im Geiste vor Sie, und neiget sich ehrerbietigst vor
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dem Manne, durch den er schon so viel frohe, schöne, erhabene und heilige
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Eindrükke empfangen hat. Ihr Einfalt und ihre Laune, Ihr Kinderglaube
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und Ihr Scepticism; kurz Ihre Menschheit, so wie sie ist und wie ich sie
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kennen lernte, ist für mich oft eine Speise und ein Trank gewesen, der meinen
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ganzen Menschen auf das heilsamste durchregte. Auch ich bin einer von
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denen, welche Sie in Pempelf. mit innigem Sehnen erwarten, und ich werde
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glücklich genug seyn, wenn ich nur Eine
vertrauliche
Stunde an Ihrem
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Herzen genießen darf.
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Ich bin aus Wirtemberg. Mein Vater ist Tuchmacher in der herrschaftl.
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Fabrik zu Ludwigsburg. Mich hat eine treue und fromme Mutter, die schon
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vor zehn Jahren in die Wohnungen des Friedens heimgegangen ist, erzogen.
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In Tübingen habe ich studiert, und durch den subtilen Ploucquet Geschmack
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an der Philosophie, so wie durch den D. Storr Liebe zur Theologie
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bekommen. Nach viertehalb Jahren, nahm mich der berühmte Hahn in
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Kornwestheim, jetzt Pfarrer in Echterdingen, zu sich, und wirkte mir in Stuttgardt ein
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früheres Examen aus, als nach den Gesezen erlaubt ist. In seiner
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Gesellschaft und durch Oettingers Schriften, wurde ich tiefer in die Philosophie der
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Bibel geführt. Heß, Lavater und Herder öfneten mir das Aug über die
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Geschichte derselben. Der Leztere vorzüglich wirkte durch seine Urkunde und
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andere kleinere Schriften mit einer gewissen Allgewalt auf mich. Drauf
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wurde ich drey Jahre lang Vicarius in Essingen bey Aalen, bey einem
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wunderlichen, aber mit philosophischer Litteratur und besonders mit der
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Astronomie und dem Mikroskop bekannten Manne. Mendelssohn, Loke, Leibniz,
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Wolf, Oetinger, Boehm, Herder u. a. waren hier meine Unterhaltung.
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Damals schon wollte ich den Phädon wiederlegen, und weiß wohl noch, wie ich
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mit dem Fuß auf die Erde stampfte, als ich den Sophismen zum erstenmahl
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auf den Grund sah. Die Geschichte der Bibel ward mir immer theurer, je
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bekannter ich mit der Philosophie wurde. Doch fand ich gewisse Begriffe, die
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das Licht meines ganzen Lebens seyn werden. Immer freyer wurde mein
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Urtheil. An dem dunklen Oetinger übte ich meine Analyse: Bengel war mein
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Exeget, aber an keinem hieng ich, wie an Herder. Doch blieb ich, meines
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Wissens, frey in meinem Urtheil. Ich kam auf Punkte, die mir weite Aussicht
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gaben, und trug nun geheime Zweifel in mir umher. Jezt kam ich in hiesige
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Gegend, nach Barmen und unterrichtete zwey Jahre lang vier
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liebenswürdige Kinder eines Kaufmanns. Eine kleine Schrift machte Jacobi
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begierig, mich zu sehen. Er würdigte mich seiner Liebe. Ich wurde krank, und er
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ließ mir keine Ruhe, bis ich zu ihm zog, um meiner sehr geschwächten
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Gesundheit zu pflegen. Durch ihn lernte ich Spinoza kennen. Durch wie viel
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Kampf, durch wie viel Aufwand von Kräften habe ich endlich – die
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Philosophie und die lose Lehre derselben unter die Füße gebracht! Das unbändige
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Roß geht jezt sachter an der Hand des kränkelnden Jünglings, und das
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Evang. allein ist mein Trost.
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Die Resultate sind ein Werk zweyer Monate, und niemand kann lebhafter
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fühlen als ich, wie viel ihnen mangelt. Ihr dritter Theil war eigentlich mein
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Zwek, aber als
ich
mich ihm näherte, war ich ermattet, und ich mußte eilen,
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um rasten zu können. Noch fühle ich die Nachwehen der unterdrükten
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Leidenschaft, mit welcher Sie geschrieben sind.
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Sie sehen, V.H., wie sehr ich Sie liebe, wie ich mich Ihnen vertraue. Nur
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sehr wenige kennen meinen Namen, und auch Sie muß ich bitten, sehr
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vor
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ichtigen Gebrauch davon zu machen.
Sie
sollten mich namentlich
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kennen lernen, das war eine meiner liebsten Aussichten und Hofnungen,
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während daß ich die Resultate schrieb. Schenken Sie mir Ihre Liebe! – Ich
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umarme Sie mit dem kindlichsten, liebevollesten Herzen.
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Thomas Wizenmann.
Provenienz
Druck ZH nach dem überlieferten Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], III 39.
Zusatz ZH: Korrigiert nach der Abschrift von Hamanns Sohn Johann Michael, mit Nachschrift von Hamann.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 265 f.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 372 f.
ZH VI 454–456, Nr. 990.