990a
S. 1
Auf der Vorderseite des Adressblattes: Zwei Lacksiegelreste (vmtl. von der

2
Hin- und Rücksendung) und Göschens Adresse von fremder Hand:

3
Herrn / Herrn George Joachim Göschen / wohlangesehn Buchhändler / in /

4
Leipzig.
/ Abzugeben auf dem neuen Neu Marckte in Kramer Hause /
Franco.


5
Auf der Rückseite die Adresse Hamanns von fremder Hand:

6
Sn. Hochedelgebohrnen / Dem Herrn Packhofverwalter /
Hamann
/ Abzugeben

7
bey den Herren
Fischer & Lengnick
/ in /
Königsberg

8
Erhalten-Vermerk von Hamann:
den 7
Julii
  1fl. 3gl.

Hamanns Exzerpt der Rezension von Wizenmanns „Resultaten“ (Leipzig: Göschen 1786), in: Allgemeine Litteratur Zeitung, Nr. 125/126 vom 26./27. Mai 1786 (Rezensent: Christian Gottfried Schütz):
S. 2
Resultate Allg. Litterat. Zeitung Nr:
125
Freytags
den 26 May 786 S. 37
8
7–384

2
und
126 Sonnabends den 27
May 786
S. 38
6
5–392.


3
Mendelssohn erkennt bloße Vernunftgründe zur Ueberzeugung von Lehren u

4
ewigen Wahrheiten.

5
Jacobi hält
Glaube
für das Element aller menschl. Erkenntnis u Wirksamkeit.

6
Glaube
= Empfindung, sinnl. Ueberzeugung. Also ein Wortspiel, welches

7
den Verdacht giebt, als wolle man alles auf Glauben an positive Sätze der

8
Religion zurückbringen. Man glaubt durch Verdrehung des Sprachgebrauchs

9
was Neues gesagt zu haben, ungeachtet alle
φφ
en unsere

10
gesamte Erkenntnis aus der Sinnlichkeit u Erfahrung ableiten.

11
Deutlicher und bestimmter druckte sich Kant aus: Wir können das Daseyn

12
Gottes nicht
wißen
, aber wir können u müßen es
glauben
. Glaube ist ein

13
für wahr halten aus subjectiv zureichenden aber objectiv unzureichenden

14
Gründen. Warum ändert Jacobi die Ausdrücke. Jacobi
Geist
= willkührliche

15
Aenderung wichtiger Wörter, ohne mit der Aenderung was auszurichten.

16
Mendelssohn trennte mehr
παραδοξιαν
als
κενοδοξιαν
der Jacobischen

17
Offenbarung? ungewöhnl. Bedeutung dieses Worts.

18
Glaube u Offenbarung = sinnliche Evidenz.

19
Eine eigene
Offenbarung
Art zu disputiren 2 so verschiedene Begriffe

20
als
Ueberzeugung aus sinnl. Evidenz
u Glaube an
eigentl. so genante

21
Offenbarung mit einem einzigen Worte Glaube
zu bezeichnen

22
Offenbarung Gottes = unmittelbare Belehrung deßelben an die Menschen.

23
Die ganze Natur so zu nennen, ist ein Wortspiel u Verwirrung der Begriffe.

24
Kants Kritik angeführt S. 817.


25
Jacobi u der Result. verf. kommen darinn überein:

26
1. daß die Sagen von der geheimen Betriebsamkeit der Jesuiten gänzl.

27
erträumt
sind.

28
2. daß sie von Nicolai, Berl. Monatsschriften nur
erdichtet
sind

29
3. und jener zum Behuf eines gewißen weit
ausgebreiteten
Schleichhandels

30
4 welcher darin bestehen soll, daß sie das Xstentum
qua tale
abschaffen

31
und dafür den
Naturalismum
mit aller Gewalt einführen wollen – dies versteht

32
man unter dem
φφ
ischen
Papismum
.

33
Dies wäre eine ganz neue
Offenbarung
, welche zu
glauben
, man ein größeres

34
Creditiv
bedarf als die Versicherung 2 Gelehrter.

35
Eine Gesellschaft zum Behuf der reinen Lehre giebt es; diese hat sich

36
selbst offenbart. Daß es andere u zwar
geheime
Verbindungen giebt, ist

37
ebenso gewiß; u daß es eine zur Ausbreitung des
Catholicismus
giebt, nach

38
allen bisher erschienenen
Datu
wenigstens höchst wahrscheinl. Daß es aber

39
ein
geheimes
Complot
zur Ausbreitung des
Naturalismus
gebe, ist uns bisher

40
noch unerhört, ob wir gl wißen daß es Naturalisten giebt; wie es deren immer

41
gegeben hat und vermuthl immer geben wird. Wer davon also unterrichtet ist,

42
der laße es doch ja nicht bey solchen Sticheleyen bewenden, sondern thue

43
Gott
u der
Wahrheit
die Ehre und zeige an, was er
beweisen
oder auch nur

44
wahrscheinl
. machen kann S. 383, 384.


45
Das Buch ist
merkwürdig
– weil es ein wunderbar Gemisch von unleugbaren u

46
unerweislichen, wohl- und übelverstandenen Sätzen, von bestimmten u schwankenden

47
Begriffen, von richtig erklärten u zweydeutigen Ausdrücken, von Ordnung

48
u Verwirrung, von Licht u Dunkelheit enthält;
merkwürdig
, weil in einer

49
Zeit, wo wir vielleicht mehr als jemals Ursache haben, alles was mit unter

50
dem Namen der
Tradition
für Geschichte oder Fortpflanzung einer unmittelbaren

51
göttl. Offenbarung verkauft wird, mit der Fackel der Vernunft zu beleuchten,

52
aller Sittenlehre der Vernunft, aller Vernunftreligion mit folgendem

53
Machtspruch S. 197 der Prozeß gemacht wird –
Merkwürdig
ist noch diese

54
Schrift durch
folgende
die Ankündigung des HE Jacobi selbst, da er

55
den Verf. so wenig als wir zu kennen scheint u nur aus dem Buche schliest

56
daß er ein Selbstdenker vom ersten Range ist, so müßen wir bekennen daß

57
uns dieses aus dem Buche zu schließen nicht mögl. ist. Wir haben darinn mehr

58
den raschen und kühnen Entscheider als tiefen Denker, mehr den witzigen

59
Kopf als den gründl.
φφ
en mehr den warmen als den hellen Vertheidiger

60
der positiven Religion zu erkennen geglaubt – – den 14
Julii
86.

Provenienz

Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Autograph. 110.4067.

Der eigentliche Brief von Hamann an Göschen in Leipzig sowie Göschens Antwort nach Königsberg sind nicht überliefert, lediglich das gemeinsame Adressblatt. Der Kontakt kam wohl über Jacobi und ihre gemeinsame Anteilnahme für Thomas Wizenmanns „Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie; kritisch untersucht von einem Freywilligen“ zustande, die 1786 bei Göschen in Leipzig erschienen. Hamann hob das Adressblatt wohl nur auf, weil er sich am 14. Juli 1786 darauf Exzerpte machte von Schütz’ Wizenmann-Rezension aus der Allgemeinen Literatur Zeitung, Nr. 125/126 vom 26./27. Mai 1786.