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456/17
Kgsb. den 9
Jul. Dom IV.
86.
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Liebwerthester Freund,
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Vorgestern den 7 d. sind die Resultate mir durch Hartung zugeschickt
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worden, den ich darum hatte ersuchen laßen,
sobald
sie etwa nach Hartknochs
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Anweisung ankämen. Mein eigen Exemplar noch nicht ansehen, geschweige
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lesen können; die übrigen sind an Hippel, Kraus, Brahl, Nicolovius bereits
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vertheilt, und das letzte dem Kr. Scheffner zugedacht, so bald ich an ihn
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schreiben kann.
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Gestern vor 8 Tagen erhielte ich Ihren letzten Brief vom 20
pr.
Seit dem
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sind 2 Posttage leer für mich verstrichen, ungeachtet mir mein J. in seinem
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letzten vom 1
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3 Hoffnung machte in 8 Tagen zum vierten Bogen, an deßen
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Haaken nun alles hängt, daß ich nicht aus der Stelle kommen kann. Aber
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auch ohne den hab ich diesen Monath gantz vor Anker gelegen. Den 1. d. fieng
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ich die Kämpfsche Cur an. Die beyden ersten Versuche blieben bey mir und
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ich wußte heute vor 8 Tagen nicht was ich für Freude machen sollte. War im
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stande einmal die Kirche zu besuchen, den ganzen Tag in Bewegung – Wie es
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des Abends zum 3
Lavement
kam, gieng es fruchtlos und mit den grösten
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Schmerzen ab. Montags eine Art von Fieber. Die Schmerzen nahmen
S. 457
immer zu, daß ich mit dem 9
Lavement
Mittwochs aufhören muste. Worauf
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ich mich entschließen müßen,
das die
von oben einzunehmen – Ich habe
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von der güldenen Ader bisher nicht das geringste gewußt, und die scheint auf
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einmal aufgerührt und reif oder wenigstens sichtbar geworden zu seyn. Mein
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Vertrauen durch diese Cur erleichtert zu werden, und mit demselben ist aller
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Muth gesunken. Ich erwarte wol auch noch gute Wirkung von dem innern
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Gebrauch der Kräuter und Wurzeln – aber die Kämpfsche Methode kam mir
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geschwinder und sicherer vor. Während dieser
Crisis,
deren Ausschlag ich
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noch nicht absehen kann, bin ich vollends aufs Haupt geschlagen.
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An der letzten Abschrift, die ich den 1. d. erhalten, ist mir weniger gelegen
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gewesen als an dem Innhalt des 4 Correctur oder Probe Bogens, wie
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ich Ihnen schon gemeldet, weil ich mich fast auf nichts mehr zu besinnen weiß,
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und durch ein eben so wunderliches Spiel des Zufalls mir gar nicht
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heraushelfen kann.
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Das Stillschweigen von Ihnen und der Mangel an Nachrichten von
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unsers Freundes glückl Fortgang, wie auch aus
Münster
vermehrt meine
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Unruhe. Gestern ein Brief aus Weimar wo man auch durch meine
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Erwartung irre gemacht ist. Wenigstens werden Sie mir seine
Ankunft in
Engl.
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melden, und wie es in
Münster geht
– auch leicht einsehen, wie ich in
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meiner jetzigen Lage
nicht selbst zu schreiben im stande bin, und daß
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mir vor mir selbst ekelt, und allem, was ich thue. Erhol ich mich, so hoffe ich
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alles wider einzuholen, was ich gegenwärtig aussetzen oder aufschieben muß.
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Bettlägerig bin ich nicht, die Schmerzen sind auch erträglich – aber Kopf und
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Herz sind gelähmt und gebrochen, ich weiß weder wo ich bin noch was ich
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thue. Wär ich mit diesem Unrath oben und unten abgereist, weis Gott, was
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unterwegs aus mir geworden wäre. Allso alles gut und zum Besten.
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Es ist für mich ein Trost, daß ich meinen J. auf meine
Quarantaine
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zubereitet habe. Der Laut von seiner glückl. Heimkunft wird mich schon wider
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aufwecken, wenn ich auch währender Zeit einschlafen sollte, weil ich Ruhe
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nöthig habe. Ich laß es auf Ihre Freundschaft ankommen,
ob
und
wie
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viel
Sie mi
ch
r wollen an seiner dortigen Zufriedenheit Theil nehmen
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laßen – Jetzt hab ich nichts so nöthig, als zu wißen, was im 4ten Probebogen
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enthalten ist, um meine
eigene
Gedanken mustern zu können – Geschrieben
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oder gedruckt, soll mir gleichgiltig seyn, wenn ich nur den verlornen Faden
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widerfinde, um zu wißen, ob ich mich aus diesem Labyrinth wider
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heraushelfen kann – und wozu ich mich entschließen soll wegen des gordischen
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Knotens.
S. 458
Sollte der vierte Bogen diesen Mittwoch den 12 ankommen: so
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erhalten Sie, so bald ich nur immer kann, eine Antwort darauf. Währt es
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länger; so liegt die Schuld nicht an mir. Ich bin fest entschloßen keine
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Fortsetzung mehr ohne das Ende und Gantze zu schicken. Alles übrige gehe, wie es
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Gott will.
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Verzeihen Sie, daß ich abbrechen muß, weil ich nichts
mehr
zu schreiben
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im stande bin – Ihr
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ergebenster Joh. Ge. Hamann.
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Adresse mit rotem Mundlackrest (Kopf des Sokrates nach links):
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HErrn / HErrn Geheimen Rath
Jacobi
/ zu /
Düßeldorf
.
f
o
Wesel
.
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 65.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 290 f.
ZH VI 456–458, Nr. 991.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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456/20 |
sobald ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: so bald |
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457/33 |
eigene ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: eigenen |
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458/10 |
f o Wesel . ]
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Hinzugefügt nach der Abschrift Wardas. |