532a
S. 515
den 19
7
br.
78.

2
horas matutinas
Morgenstunden bzw. nach dem Matutin (Nachtgebet) die Zeit zwischen Mitternacht und frühem Morgen
NativitätFestes
wohl der Geburtstag von
Henriette Stockmar
, vgl.
HKB 470 ( III 256/31 )
Ich weiß die
horas matutinas
des heutigen
Nativität
Festes nicht
frommer

3
erstes und leztes … 3 huj.
Penzels nicht überlieferter Brief vom 7. September (huius bzw. dieses Monats) mit mehreren von Hamann zu verteilenden Beilagen (vgl. zum Inhalt
HKB 536 ( IV 33/22 )
). Penzel war am 26. März desertiert und aus Königsberg geflohen (vgl.
HKB 532 ( IV 25/30 )
), befand sich nun bei Krakau. – Der Empfang des Briefs sowie Hamanns Antwort war gewagt, jeder Kontakt mit Deserteuren war verboten und von Strafe bedroht. Daher Hamanns Vorsichtsmaßnahmen: Erwähnung von Namen nur mit Initiale, Rasur seines Namens auf den Beilagen (
s.u.
), Warnungen zur Vorsicht und fehlende Unterschrift. Der Brief wurde wohl durch einen vertrauenswürdigen Boten überbracht.
anzuwenden als mit einer Antwort auf Ihr erstes und
leztes
, welches
den
3

4
huj.
erhielt
gegen
Abend, da
Mlle
St. eben bey mir war,
Kraus
Kr.
eben daher

5
kam; daher ich beyden
d
Ihre
Einl. auf der Stelle austheilen konnte. Den Tag

6
drauf überreichte der Selma, aber
NB.
offen
aus
guten Gründen
, ohne

7
darein geguckt zu haben. Die übrigen Einl. las
eb
noch
beym Schlafengehen

8
Fr.
An Königsberger Bekannten mit dieser Initiale kommen möglicherweise
Wolff Friedländer
und
Theodor Michael Freytag
in Frage.
und habe keine einzige abgeben können, als die an Fr.,
NB
versiegelt
.

9
nachdem mein siebenmal misbrauchter Name sorgfältig war auf der Aufschrift

10
ausradirt worden
Die übrigen 3 von den 7 liegen noch
in statu quo
– und

11
ich bin nicht im
stande
solche, Ihrem Verlangen gemäß, zu
distribui
ren
.

12
G.
vmtl.
Johann Julius Göschen
, der mit Penzel befreundet war, vgl.
Köppe: Abraham Jakob Penzels Lebensirrfahrten
, S. 343.
G. besuchte mich vor den Ferien und wollte seine Eltern
besuchen;
entdeckte

13
mir auch seine Absicht wo es mögl. nach Warschau selbst zu gehen.

14
Einige Wochen nachher erhielt die Nachricht, daß er in
letzten
Zügen läge

15
und habe nichts gewißes in seinem
Logis
erfahren können. Pr. K† hat sich

16
allenthalben öffentl.
erklärt, daß er keine Briefe von Ihnen annehmen würde,

17
im Fall es Ihnen einfallen sollte an Sie zu schreiben.
CH.
K. hat aus dem

18
Jungf. S.
Lesung unsicher, wohl
„Jungfer Selma“
bereits erhaltenen das gröste Geheimnis gemacht und
nebst
der Jungf. S.
eine

19
Hausvisitation
nach Ihrem Schritt ausstehen müßen. Ihre bey dem

20
letztendeponirte Bücher
Wohl bei
Christian Jacob Kraus
; sie wurden später auktioniert, wobei Hamann nur Penzels „ganzen Vorrath von Episteln u Briefen erhielt“ (
HKB 536 ( IV 33/29 )
).
B.
nicht ermittelt
letzten deponirte Bücher sind sogl.
sequestrirt
worden u B. ist nicht mehr

21
Hofmeister, hat mich auch nach 2 Wochen nicht wieder gesehen, ich ihn auch

22
nicht. Ihr Wechsel ist durch alle Gläubiger die Sie darauf
assignirt
verrathen

23
u das Geld
gl.
in Beschlag genommen u dem
gouvernement
ausgezahlt

24
worden. Allso fallen alle
Ihre
Aufträge von selbst weg und überhaupt

25
Kr …
Kraus nach Berlin, vgl.
HKB 545 ( IV 51/9 )
wißen Sie meinen Unstern zu Aufträgen, geschweige zu solchen – Kr. ist

26
reisefertig nach Berl. und hat mir die Einl. zurückgeliefert, förmlich

27
T …
Teufel, wohl Penzel selbst gemeint, vgl.
HKB 570 ( IV 130/35 )
entsagend dem T‥ und
allem seinem Werk und allem seinem Wesen
. Ihr Eifer in der

28
Verdrus-Sache
ist
lächerl.
als wenn Ihnen der Himmel ein
Monopol
gegeben
und
alles

29
Waßer auf Ihre Mühle zu
ziehen.
Uebrigens ist es schlechterdings

30
unmögl. daß ein ehrl. u vernünftiger
M
sich Ihrer Angelegenheiten

31
hier
annehmen
kann,
als bis Sie mit den
militair
u.
civil
Gesetzen

S. 516
Rächer des 1. Gebots der 2ten Tafel
Das erste Gebot der zweiten Tafel ist in lutherischer Tradition und im zeitgenössischen Sprachgebrauch (vgl.
S.J. Baumgarten: Auslegung der epistolischen Texte, I, S. 213
) das vierte Gebot (Elterngebot,
2 Mo 20,12.
), gegen das Penzel durch die Feindschaft zu seinem Vater verstieß. – Mit „Rächer“ meint Hamann hier wohl allgemeiner die Obrigkeit, gegen deren Gesetze Penzel durch die Desertion verstieß: Gegenüber Deserteuren ist Friedrich II. also kein Literatenfreund und Philosoph. Bereits die vorherigen Versuche, über die Berliner Akademie dem Militär zu entrinnen, waren gescheitert, vgl.
HKB 461 ( III 218/6 )
.
Philosophe de S.S.
Friedrich II.
ausgesöhnt sind. Der Rächer des 1. Gebots der 2ten Tafel ist kein
Philosophe de

2
Engel und dienstbare Geister
Gemeint sind wohl Untertanen und Beamte Friedrichs II. (wie Hamann selbst), bei denen Penzel sich nicht sicher sein sollte, dass sie ihn nicht melden.
S.S.
für deßen Engel und dienstbare Geister Sie gegenwartig gar nicht

3
„einem der mitten …
Spr 23,34f.
sicher seyn können. Es geht Ihnen aber wie „einem der mitten im Meer

4
schläft und der oben auf dem Mastbaum schläft; – und in seinem Herzen

5
sagt: Wann will ich aufwachen daß ichs mehr treibe.“

6
Mendelssohn … geschenckte Buch
Moses Mendelssohn
, nicht ermittelt, mglw. eines der mit
HKB 509a
geschenkten Bücher.
Mendelsohn
hat die ganze Judenschaft hier aufgeboten sein geschencktes

7
Buch hier einzulösen; niemand aber hat es auffinden können. Den 2
Julii

8
2 Julii … Bernoulli
Johann Bernoulli III berichtete in seinen
Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preussen, Curland, Russland und Pohlen in den Jahren 1777 und 1778
, S. 76 von seinem Treffen mit Hamann an diesem Tag, der ihm „durch die Bescheidenheit seines Betragens und seiner Reden auf einer vortheilhaften Seite bekannt wurde“.
Er geht über Warschau
Tatsächlich reiste Bernoulli über
Mitau
und Riga nach St. Petersburg und besichtigte auf dem Weg nach Mitau am 3. Juli noch
Kanters
Papiermühle in
Trutenau
, vgl.
Bernoulli,
Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preussen, Curland, Russland und Pohlen in den Jahren 1777 und 1778
, S. 195f.
habe
Bernoulli
hier besucht, der Himmel weiß mit welchem Herzen. Er

9
Prof DuBois
Jean-Baptiste Dubois de Jancigny
, ebenfalls Mitglied der Berliner Akademie und anscheinend ein Helfer Penzels bei der Flucht,
s.u.
(jedenfalls organisierte er seine Korrespondenz). Bernoulli sollte sich wohl mit Dubois über eine mögliche Pardonierung nach Penzels Desertion beraten, vgl. Bernoullis Brief an Penzel aus dem Herbst 1778 (
Köppe: Abraham Jakob Penzels Lebensirrfahrten
, S. 160f.; bereits zuvor setzte Bernoulli sich für Penzels Entlassung aus dem Militär in Berlin ein, vgl.
HKB 474 ( III 273/17 )
).
geht über Warschau
u.
wollte sich bey
Prof
DuBois
nachstens

10
Vater … jammern
Penzels Vater
warf ihm anscheinend häufig in Briefen vor, durch seine Schulden die Lage der Familie zu belasten, vgl.
Marie Sophie Penzels
Brief an ihren Bruder vom 28.9.1777 (
Köppe: Abraham Jakob Penzels Lebensirrfahrten
, S. 149).
erkundigen. Seit kurzem soll Ihr armer Vater, (dem ich es als einem Landpriester

11
wie Augustus um seine Legionen zu jammern
vgl.
Suet.
Aug.
23
, Übers.: „Schließlich soll er so aus der Fassung gebracht worden sein [über den Verlust der Varusschlacht], daß er Bart und Haare über Monate hat wachsen lassen und manchmal den Kopf gegen die Tür schlug und dann sagte: ‚Quintilius Varus, gib mir die Legionen wieder!‘ Und den Tag der Niederlage soll er in jedem Jahr in Schwermut und ganz traurig verbracht haben.“
nicht verargen kann, um seine
150 rth. wie
Augustus
um seine
Legionen
zu jammern)

12
Nachfolger des Recroutenwesens
Bei Desertion musste auf eigene Kosten ein Ersatzsoldat gestellt werden.
an Ihren würdigen Nachfolger des
Recrouten
wesens
à costi
geschrieben

13
haben, doch noch nichts von dem Innhalt dieses Briefes erfahren können.

14
27 Augs … Bruder
an Hamanns Geburtstag;
Johann Christoph Hamann (Bruder)
starb am 25. August
Den 27
Augs.
habe einen Bruder des Morgens um 4 Uhr begraben

15
climacterisch
bedeutendes schicksalhaftes Stufenjahr, vgl. zu
HKB 536 ( IV 31/8 )
laßen und sehr
feyerl.
climacteri
sch mein 49 Jahr angetreten. Ehrenreich

16
hat auch seinen Sohn begraben laßen mit allem Pomp der Todtenköpfe welche

17
Εαν ὁ Κυριος …
Jak 4,15
vermuthl. die Unkosten dafür
hergegeben.
Εαν ὁ Κυριος θελησῃ και ζησωμεν
– hoff

18
Denkmal der Bruderliebe
Hamann,
Apologie meines Cretinen
Quod non … Possit
Hor.
carm.
, 3,30,3f. (dt. „das kein gefräßiger Regen, nicht der unbeherrschte Aquilo [zerstören] kann“), kurz nach „Exegi monumentum…“
ich ein
Denkmal
der Bruderliebe
zu
vollenden
Quod non imber edax, non

19
reich u arm
wohl nach
1 Sam 2,7
, vgl.
HKB 536 ( IV 31/29 )
Aquilo impotens Possit
– Ich bin noch niemals so reich u arm gewesen als

20
gegenwärtig, habe 10 rth zum Begrabnis von
Prof.
aufnehmen müßen

21
und selbige noch nicht abgetragen; noch
keinen
Klafter
Holtz
zum Winter

22
eingekauft – und seit Ihrem Abschiede an keinen Menschen in der Welt

23
gestern und heute nach Polen
wohl dieser Brief
geschrieben als gestern und heute nach Polen. Alle Ihre Briefe sind richtig

24
Geh. R. v. K.
Lesung unsicher, nicht ermittelt
eingetroffen, die Einschlüße des
Geh. R. v. K.
sogl bestellt worden;

25
Auf der Post hat man Ihre Hand immer
erkannt
. Br. u Zitt. haben Ihnen

26
längst
geantwortet unter
addresse
des Prof
du Bois
u
sich alle Mühe gegeben.

27
Auch die Bestimmung dieses Briefs hat man sogl. errathen. Und hiemit

28
L–r
Lesung unsicher, mglw.
Johann Benjamin Laubmeyer
, mit dem Penzel befreundet war, vgl.
Köppe: Abraham Jakob Penzels Lebensirrfahrten
, S. 343
Göttlicher
Obhut empfohlen bis auf
beßere
Zeiten.
L–r
ist nach Berl.

29
diese Woche durchgegangen und hätte Sie gern
zu
sm Nachfolger
à
100 #

30
vorgeschlagen,
wenn
– Sie nicht so gut versorgt wären, anderer
Wenn’s

31
Viuat S. Selma
wohl nach
Selma Stockmar
zugeschweigen.
Viuat S. Selma!!!!!!!

32
Liebe Gottes … guten Geistes
Variation von
2 Kor 13,13
Die Liebe Gottes des
Vaters
, die Gnade † † und die Gemeinschaft des

33
vorläufigen Ονησιμοις
Phlm 8–10
guten Geistes
sey mit allen vorläufigen
Ονησιμοις,
ihren Gläubigern und

34
Bürgen,
Correspondenten u Correspondentinnen
ppp in secula seculorum

35
Amen!


36
Adresse mit schwarzem Lacksiegelrest:

37
Gleboka
Głęboka
An / Freund
P.
/ zu /
Gleboka
bey
Cracau.

Provenienz

Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: Penzeliana II (aus dem Nachlass des Münchner Oberbibliothekars Joseph von Scherer, 1776–1829).

Bisherige Drucke

Bernhard Gajek: Zwei unbekannte Briefe Johann Georg Hamanns. In: Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts (1986), 34–60 (danach ediert auch ZH).

ZH IV 515 f., Nr. 532a.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
515/1
7
br.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
7br.
515/2
frommer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
frömmer
515/3
den
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
d.
515/3
leztes
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
letztes
515/4
gegen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
geg
515/4
Kraus
Kr.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Kraus
515/5
d
Ihre
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Ihre
515/6
guten Gründen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gutem Grunde
515/7
eb
noch
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
b
noch
515/9
–10
nachdem […] worden]
In der Handschrift mit Einfügungszeichen oben auf der Seite hinzugefügt.
515/11
distribui
ren
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
distribuiren
515/11
stande
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
stande,
515/12
besuchen;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
besuchen
515/14
letzten
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
lezten
515/16
allenthalben […] öffentl.]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ebenfalls öffentl
515/17
CH.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
CH.
515/18
–19
nebst […] eine Hausvisitation]
In der Handschrift schwer zu entziffernde Stelle; ZH:
zu
S.
515/23
gl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
pp.
515/24
Ihre
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ihre
515/27
allem […] Wesen]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
all seinen Werk und all seinem Wesen
515/28
lächerl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
lächerlich
515/28
und
alles
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
alles
515/28
Verdrus-Sache
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sache
515/29
ziehen.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ziehen. –
515/31
hier
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ferner
515/31
kann,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
kann
516/6
Mendelsohn
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Mendelssohn
516/9
Prof
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Prof.
516/9
u.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u
516/11
150 […] Legionen]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
140 rth. vom
um se.
Logis
516/12
Recrouten
wesens
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Recrutenwesens
516/14
Augs.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Augs.
516/15
feyerl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sorglich
516/17
vermuthl. […] dafür]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
dazu
516/18
Denkmal
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Denckmal
516/18
vollenden
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
vollenden
516/20
Prof.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Ro.
516/21
Holtz
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Holtz
516/21
keinen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
kein
516/24
Geh. R. v. K.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Geh. R. v. K.
516/25
erkannt
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
erkant
516/28
Göttlicher
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
göttlicher
516/28
beßere
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
beßere
516/29
zu
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
für
516/32
Vaters
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Vaters
516/34
Correspondenten […] Correspondentinnen]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Correspondenten
u
Correspondentinnen
516/37
P.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
P