548
61/27
Empfänger: Kant? Würde passen, weil irgendwie unpersönlich, thematisch aufs philosophische konzentriert, aber sehr stilisiert; außerdem haben sie gerade wieder angefangen, sich zu sehen, vgl.
HKB 545 ( IV 55/13 )
, und irgendwie involviert in den Konxonpax ist Kant auch, vgl.
HKB 695 ( V 36/6 )
; vielleicht wollte Hamann mal wieder einen philosophischen Briefwechsel anfangen (wie seinerzeit über Herders älsteste Urkunde) und fing hier also mit Konxonpax-Themen an, hat den Brief dann aber schnell abgebrochen und den philosophischen Briefwechsel liegen gelassen (wie er so Sachen in der Zeit eben häufig anfing und abbrach, wie auch die Apologie meines Cretinen). Auch die Anrede „liebster Freund“ könnte einigermaßen passen, vgl.
HKB 439 ( III 166/2 )
(obwohl Hamann ihn sonst eher mit hochgeehrter Professer o.dgl. anschreibt) – – alternativer Adressat wäre Herder, dann wäre dieser Brief der erste Entwurf für HKB 550, den er
dort
erwähnt; dass er Herder „über Jahr und Tag […] auch meine Gedanken über die Mysterien der Heiden versprochen“ könnte sich demnach auf
HKB 536 ( IV 35/9 )
beziehen (das ist allerdings erst gut 5 Monate her; Herder bei der Anrede außerdem standardmäßig „Herzlich geliebtester Gevatter, Landsmann und Freund“) – – weiterer möglicher Adressat ist Hippel, vgl.
HKB 536 ( IV 35/10 )
?!?
Dum moliantur …
nach
Ter.
Heaut.
, dt. während sie [die Frauen] sich vorbereiten, während sie sich zurechtmachen, vergeht ein Jahr; hier aber im Konjunktiv; vgl.
Hamann,
Konxompax
, N III,228/6f.
Dum moliantur, dum comantur, annus est
– Es ist würklich über Jahr

28
und Tag, daß ich Ihnen liebster Freund, auch meine Gedanken über die

29
Mysterien der Heiden
im Zusammenhang von Hamanns Arbeit an
Konxompax
Mysterien der Heiden versprochen. Meine häuslichen Sorgen haben mich öfters

30
durch einen zwar typischen aber zieml. natürl. Zusammenhang
auf
an die

31
Geheimnisse der Ceres
vgl.
Hamann,
Konxompax
, N III,217/4
lieben
Geheimnisse der Ceres
mehr als erinnert
erinnert und an jene

32
Säuglinge u Unmündige, die zu ihren Müttern sprachen:
Wo ist Brodt und

33
Wein
?
Was W ist
und an jenes gute vor andern,
was ist
und schöne
r

34
Korn das Jünglinge …
Sach 9,17
vor andern
als
neml.
Korn
das Jünglinge u.
Most
der Jungfrauen

S. 62
zeugt.
Ungeachtet
Mit aller
der
Begeisterung des Hungers und Durstes,

2
mit den
ich
in der Wüste meines Vaterlandes
von
Brosamen
von dem

3
für die Kinder gehören
unter dessen
Bel und seine
die 70 Pfaffen täglich

4
sich
zwölf Malter Weitzen, vierzig Schaafe und drey Eimer Weins auf

5
Kosten der Kinder des Reichs
der
des inwendig leim und auswendig

6
ehernen Götzen.

7
Descartes
René Descartes
Sind unsere Philosophen nicht des Descartes und unsere Philologen des

8
Leclerc
Jean le Clerc
Leclerc heiliger Saame; und haben wir es nicht ihren gemeinschaftlichen

9
Verdiensten um die Dogmatik zu verdanken, daß der Geist des Heidentums in

10
eine
die Grundwahrheiten
der
einer natürl. Religion und der Geist des

11
Χ
stentums in eben den Urstoff aufgelöst worden. Ist es also nicht ein Wunder

12
dieses allgemeinen Geistes, wenn die Heiden zu Christen, und
die
abermal

13
die Christen zu Heiden werden und
das Ende wider in den Anfang

14
dringt
.

15
Et vecordi  …
Spr 9,16–18
; Motto des
Konxompax
, N III,215/12–15
Et vecordi locuta est: Aquae furtiuae dulciores sunt et panis

16
absconditus suauior. Et ignorauit quod ibi sint gigantes et in profundis inferni

17
conuiuae eius. Prou IX.

18
magno silentio …
Aus der Beschreibung der Isis-Mysterien in
Apul.,
met.
, 11,11; Übers. (von
August Wilhelm Rode, 1783, Bd. 2, S. 208f.
): „der unaussprechliche Beweis der höhern, aber in tiefstes Stillschweigen einzuhüllenden, Religion“; Motto des
Konxompax
, N III,215/12–15.
– magno silentio tegendae religionis argumentum ineffabile. Apuleius

19
Metam. XI.

20
Auch in der Dunkelheit …
nach
Gellerts
Gedicht
Reichthum und Ehre
, vgl.
HKB 219 ( II 129/18 )
Auch in d
ie
er Dunkelheit
hat
liegt so viel Reitz für denkende

21
Philologen und gelehrte Weltweise, daß sie sich an die Untersuchung der

22
Geheimnisse gewagt und am Ende entweder ein reines Nichts oder ein so

23
zweydeutiges Etwas gefunden, das
sich einan
wie
gut
und
böse
entgegengesetzt ist.

24
Diese höchste allgemeinsten Gattungsideen,
Nichts
und
Etwas
, Gut und

25
Böse sind die ersten Gründe und letzten Resultate aller menschlichen

26
Erkentnis und aus ihrer Zusammensetzung und Anwendung durch Anschauen des

27
κατ’ εξοχην
kat’ exochen, vorzugsweise, im eigentl. Sinne
Einen in dem vielen entsteht die Wissenschaft
κατ’ εξοχην
aller nothwendigen

28
übersinnlichen Wahrheiten, und die eigentl. reine Vernunfterkenntnis, oder

29
Plato
Platon
die Wißenschaft der göttl. Dinge nach Plato.

30
Ohngeachtet es weder an Heiden noch Mysterien bis auf den heutigen Tag

31
fehlt noch fehlen kann: so kann uns doch weder Induction noch Analogie,

32
weder
Schlüße aus den Begriffen der Unter und Nebenarten zur gewissen

33
Erkenntnis
der
jener allgemeinen Wahrheit verhelfen, ob die Mysterien

34
der alten Heiden Nichts oder Etwas und ob letzteres gut oder böse gewesen,

35
so leicht auch diese Frage in Ansehung unserer Zeitverwandten und

36
Vorfahren entschieden werden kann durch die Homogeneität oder
durch die
das

37
Beständige u Gemeinschaftliche des Aberglaubens in der ganzen Menschlichen

S. 63
Natur trotz des Zufälligen und Besondern in der äußern Lage u Cultur der

2
Individuen, Arten u Gattungen.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Sammlung Warda (ohne Signatur).

Bisherige Drucke

ZH IV 61–63, Nr. 548.