560
91/16
Königsberg den 7
Aug.
79.

17
Herzlich geliebtester Freund,

18
Briefchen vom 8 Junii
nicht überliefert; Kraus’ Antwort auf
HKB 551
, aus Göttingen
HE Toussaint
Frédéric Toussaint
Ihr
Briefchen
vom 8
Junii
habe den 9
Julii
durch HE
Toussaint
erhalten

19
Dom. VI. p Tr.
6. Sonntag nach Trinitatis, 11. Juli 1779
Müllerschen Hause
Ernst Egidius Müller
und
Dom. VI. p Tr.
im Müllerschen Hause mich mit Hänschen zu Mittag

20
eingefunden. Daß ich darauf gewartet und darnach geschmachtet, können Sie

21
leicht erachten. Wie heist Ihr Gefährte; ist es nicht erlaubt seinen
Namen

22
zu wißen? und wird Ihre Verbindung sich blos auf Ein Jahr erstrecken? Ich

23
hoffe, daß Sie sich nicht auf den einzigen Schlötzer concentriren werden –

24
Lud. Jacobillo
Jacobillus,
Bibliotheca Umbriae
, um für die
Schürze von Feigenblättern
und die Anmerkung zu
Hephaistion von Theben
etwas über
Marianus de Raynaldis
herauszufinden (vgl.
HHE 5
, S. 301 und 322f.), vgl.
HKB 551 ( IV 73/12 )
Henr. Barcellii
Der Eintrag zu
Marianus de Raynaldis
bei Jacobillus bezieht seine Informationen angeblich aus der „Bibliotheca mundi“ des Henricus Barcellius; dieser angebliche Autor eines nur sekundär bekannten Werks ist laut
A. Riegl:
Alfonso Ceccarelli und seine Fälschungen von Kaiserurkunden
, in: MIÖG 15 (1894), S. 206
eine Erfindung des berüchtigten Fälschers von Urkunden und Genealogien, Alfonso Ceccarelli.
Für Ihren Auszug aus
Lud. Jacobillo
danke bestens. Von
Henr. Barcellii

25
Bibl. Mundi
habe nichts bisher entdecken können.

26
Leine
Kraus berichtete in seinem nicht überlieferten Brief offenbar vom Baden im Flüßchen bei Göttingen.
Wegen Ihres Zeitvertreibs in der Leine laßen Sie sich einen traurigen

27
Tage Eliä
Fest des Propheten Elia
Brahl
Johann Brahl
Vorfall erzählen der den 20
Julii
am Tage Eliä sich hier zugetragen. Brahl wie

28
Sie wißen ist ein großer Verehrer des Badens u munterte mich auf meinen

29
Sohn auch dazu zu gewöhnen, wozu ich sehr geneigt war. Er wohnte in

30
Kinder
Sohn des Licentrates Jacob Kinder, mglw. mit Vornamen Friedrich Georg?!?
meiner Nachbarschaft am alten Graben wohin ihn der junge Kinder gezogen

31
hatte, der den Sommer über sich daselbst ein
Logis
ausgesucht. Nach einigen

32
durch die Witterung vereitelten Abenden war man endl. am gedachten Tage

33
Liepe aus dem Sackheimschen Thor
Ließe war ein Dorf wenige Kilometer östlich von Königsberg, durch das Sackheimer Tor ging die Ausfallstraße in Richtung Insterburg.
entschloßen meinen Knaben zu
initii
ren. Sie gehen nach der Liepe aus dem

S. 92
Sackheimschen Thor, in einem Graben des Pregels als dem gewöhnl. Ort.

2
Das Waßer war ein wenig zu hoch, daß Brahl Bedenken trug, und mein

3
Sohn blieb also blos als Zuschauer stehen. Kurz, Kinder verschwindt auf

4
einmal ohne Rettung, und man weiß nicht wie vor seines Gefährten u

5
meines Kindes Augen. Das Schrecken des armen Brahl können Sie sich leicht

6
vorstellen. Alle seine eyfrige Bemühungen ihm, nachdem er ausgezogen

7
worden war, noch Hülfsmittel zu verschaffen und der Versuch derselben ist

8
verloren gewesen. – Der arme Schelm hat auf seine Kosten 4 Bogen unter dem

9
Probe einiger Gedichte
Brahl,
Probe einiger Gedichte
Titel:
Probe einiger Gedichte
zu Marienwerder abdrucken laßen u Ihrem

10
Mäcen solche
in petto dedici
rt. Er hat mir ein Geheimnis daraus gemacht

11
und wird kaum den geringsten
Effect
zu erwarten haben. Ich kann gar nicht

12
begreifen, wie er auf den Einfall gekommen und was er davon erwarten

13
kann. Sollte der Minister durch einen Wink an
D.
Biester von Ihnen auf das

14
humilem agnam
dt. bescheidenes Lamm, etwa in
Hor.
carm.
, 2,17,32
unschuldige Opfer seiner Muse, die er selbst
humilem agnam
nennt,

15
aufmerksam gemacht werden können
indirecte
ihm ein Plätzchen durch seine

16
Empfehlung auszuwirken; so überlaß ich es Ihrem Gutachten u Herzenstriebe.

17
Cousine Buchholtz
Friederike Schulz
Oberhofprediger Schultz
Johann Ernst Schulz
Cousine
Buchholtz hat diesen Montag unserm HE Oberhofprediger Schultz

18
Ihr Ja und Amen gegeben.

19
Gevatter aus W.
Johann Gottfried Herder
Hat Ihnen mein Gevatter aus W. ein Exemplar vom
Konxompax

20
Brauchs = Bauchs
Hamann,
Konxompax
, N III,226/30, vgl.
HKB 555 ( IV 80/20 )
zugeschickt: so bitte
p.
27. Z. 12. statt Brauchs =
Bauchs
zu lesen. Daß

21
Starkens Apol
. u
Meiners Abhandl
. zum Grunde liegen, darf ich Ihnen nicht

22
Nachtstück …
vgl. zu
HKB 557 ( IV 85/5 )
erst sagen. Aber ein so verschworner Metaphysiker wird das Nachtstück einer

23
sich flöhenden
s. v.
Sibylle mit eben so wenig Antheil lesen – als die

24
Dramaturgen und Orthodoxen …
Goeze
und
Lessing
sowie ihre jeweiligen Anhänger, vgl. zu
HKB 557 ( IV 85/6 )
Dramaturgen und Orthodoxen, welche sich am hellen Mittag einander die Kolbe

25
lausen. Laß jeden seine Bedürfnis abwarten.

26
Eintritt ins 50ste
seinen Geburtstag am 27. August
Ich erwarte meinen Eintritt ins 50ste Jahr u habe diesen Monath dazu

27
bestimt alle schuldig gebliebene Antworten abzumachen, auch mit Gottes

28
Hülfe einen ganz neuen Lebensplan anzufangen in meiner häuslichen u

29
litterarischen Wirthsschaft.

30
Recension in unserer Zeitung
KGPZ
, Jg. nicht überliefert; zu der Rezension, deren Original nicht aufgefunden werden kann, sowie zu ihrer Bedeutung für Reichardt vgl.
Anglet:
„Leben des berühmten Tonkünstlers Heinrich Wilhelm Gulden“
, S. 11f.
Haben Sie Guldens Leben gelesen. Die Recension in unserer Zeitung ist

31
vom John und ein meisterhafter Widerschall der
Vox diuina
unsers Publici.

32
Daß ich als Client, Landsmann u weiland Kunstrichter anders denke, können

33
Sie vermuthen.

34
Koppe N. T. habe den Anfang zu lesen gemacht, mit vielem Geschmack;

35
wünschte daß Sie den Mann auch näher kennten. Wie sehr wünschte ich
D.

36
Faustens Mantel … Maler Müller
Maler Müller,
Fausts Leben
Faustens Mantel, falls ich Ahasverus seyn soll nach Maler Müller, um eine

37
Woche mit Ihnen wechseln zu können.
Hermes
der Verf. der Sophie ist hier

S. 93
gewesen u hat sich 8 Tage aufgehalten. Blos eine Reise zur Cur, die ihm

2
vortrefl. angeschlagen. Ich habe mir in den Kopf gesetzt in der
Thibet
schen Sprache

3
Schlüßel zum Wort Konxompax
Hamann interessierte sich für den kultisch-außereuropäischen Hintergrund des Wortes wegen seiner
gleichnamigen Schrift
, in der er das Wort zunächst nur der Stelle in Starcks
Apologie des Ordens der Freimaurer
, S. 180 entnommen hatte: „Hesychius führt ausserdem noch zwey Losungswörter [bei den Mysterien] an, die Konx und Ompax hiessen, die nicht griechisch, sondern fremden Ursprungs sind, von welchen es aber ungewiß ist, ob sie beym Eintritt oder Ausgange aus dem Tempel gegeben wurden.“ Vgl. weiterhin die Stelle bei
Meiners,
Ueber die Mysterien der Alten
, S. 282,
Herders
Frage und erste Recherchen bei
Hesychius von Alexandreia
in
HKB 556 ( IV 83/10 )
und Hamanns Antwort in
HKB 561 ( IV 96/4 )
.
den Schlüßel zum Wort
Konxompax
zu finden. Möchten Sie sich wohl

4
Lettres edifiantes
Lettres édifiantes et curieuses
, Bd. 15 (Paris 1722); zu dem Wort „Konxompax“ vgl. S. 195
entschließen
in meinem Namen
den
Tom. XV.
der
Lettres edifiantes
oder des

5
P. Georgi
Alphabetum Thibetanum
anzusehen. Sie müßen mich aber mit

6
diesem Einfall nicht auslachen, noch selbigen irgend jemanden verrathen.

7
Müllersche Haus
Ernst Egidius Müller
Das Müllersche Haus habe seit Ihrer Abreise nicht anders besucht als auch

8
in
Ihrem Namen
d. h. so oft ich Briefe von Ihnen erhalten habe. Wie oft

9
dies geschehen, werden Sie leicht berechnen können.

10
Auf den innern Zusammenhang meiner Hypothese mit der bramanischen

11
Religion will ich Sie blos verweisen. Was aber die äußere
indicia
anbetrift:

12
so bedeutet
Konx
oder
Koncio
Gott u die Sylbe
Om
findt sich in ihren

13
sogenannten sechs Worten:
Om ma wi pad me chum,
wie auch in einer andern

14
heil. Formel:
Om a chum
1
.
Fehlt mir also noch die Sylbe
Pax
.
Bitte also

15
mit diesem Augenmerk die
Lettres edifiantes
laut meiner Anzeige und den

16
P. Georgi,
zur Abwechselung Ihrer botanischen Spatziergänge und

17
Arndt
Christian Gottlieb Arndt
, nicht überliefert; Hamanns Brief vom 2. August, mit einem Exemplar des
Konxompax
, ging verloren, vgl.
HKB 567 ( IV 118/16 )
. – Hintergrund der Anfrage ist wohl der Aufsatz
Merkwürdige Beschreibung des Tibetischen Reichs
, der im März-Heft von Arndts
St. Petersburgischem Journal
Bd. 7 (1779), S. 178–184 erschien (Hamann las dieses Periodikum regelmäßig, vgl.
HKB 578 ( IV 162/12 )
); auf
S. 182f.
heißt es dort – was Hamann für seine Recherchen zum Ursprung des Wortes
Konxompax
sehr interessiert haben dürfte –: „Es ist eine alte Sage, daß die thibetanische Religion ein verdorbenes Christenthum sey, selbst Vater Desiderius, ein Jesuit, (aber nicht von der chinesischen Mission) welcher dieses Land im Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts besucht hat, glaubt und behauptet mit einem wahren mistischen Scharfsinn, daß die Lamas ganz gute Begriffe von der Dreyeinigkeit haben, weil sie in ihren Gebeten an Gott, eben so oft Koncirkoik in der mehrern Zahl, als Konciok in der einfachen Zahl sprechen, und weil sie mit dem Rosenkranz in der Hand, oft die Worte Om, Ha, Hum, wiederholen.“
architectonischer Schattenriße durchzulaufen. Habe auch Arndt meinen Freund in

18
kalmuckschen Polyhistor
einen Gelehrten, der sich im Tibetanischen auskennt
St. Petersb. gebeten sich nach einem kalmuckschen Polyhistor oder kleinen Abt

19
Haec sub rosa scripta sunto
Dt. Dies soll unter der Rose (dem Siegel der Verschwiegenheit) geschrieben sein.
des großen Lama dort umzusehen.
Haec sub rosa scripta sunto.

20
Schummels Spitzbart
Schummel,
Spitzbart
Haben Sie auch schon Schummels Spitzbart gelesen? Keine Neugierde den

21
Photorinus Pathognomikus
Georg Christoph Lichtenberg
in Göttingen, wo Kraus sich aufhält; „Photorin“ ist ein Pseudonym im
Timorus
[…] (Berlin 1773)
; der Beiname „Pathognomikus“ nach Lichtenbergs Entgegnung auf
Lavater
(
Lichtenberg,
Ueber Physiognomik; wider die Physiognomen
), die den (wohl satirisch gemeinten) Begriff der Pathognomik entwickelt, die Möglichkeit, bestimmte seelische Vorgänge aus den unbewussten Bewegungen des menschlichen Gesichts zu erschließen.
Photorinus
Pathognomikus
kennen zu lernen?

22
Prof. †feld u Brahl
Johann Gottlieb Kreutzfeld
und
Johann Brahl
Mein auf Prof. †feld u Brahl eingeschränkter Umgang ist durch einen

23
jungen Berens
Arend Berens
jungen Berens, der hier die Handl. auslernt, vermehrt worden, und wenn es

24
wahr ist, so schmeichele ich mir ehstens meinen ersten u liebsten Zögling,

25
Baron von Budberg, deßen Reisebeschreibung ins Schlangenbad ich noch nicht

26
gelesen, hier zu sehen. Wenn Gott eines reichen Mannes Herz regieren wollte

27
Hermes
Johann Timotheus Hermes
(wohl auch ein Spiel mit dem Götterboten, der ebenfalls für Reichtum und Handel steht)
mich, wie ein Breslauscher
Banquier
den Hermes, zu seinem Reisegefährten

28
zu machen. Gottlob! alle meine Kinder sind gesund und freuen sich des

29
schönen Obstes
im Garten. Eine Ernte an die ich nicht gedacht u meinen

30
kahlen übriggebliebnen Stämmen nicht zugetraut. Ich
vegeti
re im höchsten

31
botanischen Geschmack, und – muß schließen. Erfreuen Sie mich doch bald

32
mit einer umständlichern Beschreibung Ihrer gegenwärtigen Verbindlichkeit.

33
Wie heißt Ihr Genoß? Was studiert er? Führen Sie ihn nach Berlin wider

34
zurück oder weiter?

35
Gagliani vom Münzwesen
Galiani,
Della Moneta libri cinque
Sollte nicht dort auf der Bibliothek
Gagliani
vom Münzwesen
seyn?


36
Denkwürdigkeiten aus Pallas Reisen
Pallas,
Auszug aus Pallas Reisen
, Tl 1, S. 237 u. 248
1
S. Denkwürdigkeiten aus
Pallas
Reisen
I
Theil S. 237. 248.

S. 94
um den Verleger u Ort des Drucks zu wißen, und den Werth des Buchs. Ihr

2
botanischer, historischer u politischer Geschmack ist nicht gantz der meinige.

3
Eine Schule wie Göttingen müste Ihnen Vortheile geben, die nirgends

4
gewiße Neugierden
einer philosophischen u akademischen
Bestimmung, als

5
die Ihrige, mehr reitzen noch befriedigen könnten – Wie gehts z. E. mit Ihrer

6
mathematischen Muse
nach Kraus’ Übersetzung von
Young,
Political arithmatic
mathematischen Muse? Könnten Sie nicht die Anfangsgründe des

7
Spanischen u Portugiesischen
von dort hieher bringen?

8
Nun halten Sie mein Geschmier zu Gute. Es ist heute eine brennende

9
Hitze. Ich umarme Sie. Schreiben Sie mir bald und was unter uns bleiben

10
communicativen Schwäche
gemeint ist wohl Hamanns Stottern
soll, zeigen Sie mir an. Daß ich ungeachtet meiner
communicati
ven Schwäche

11
Discretion
besitze, wißen Sie. Fehlt es Ihnen an
gegenwärtigen
Freunden,

12
so brauchen Sie desto mehr Ihre abwesende und laßen Sie solche an Ihren

13
Einer des Andern Last
Gal 6,2
Grillen und Schicksalen Antheil nehmen. Denn dazu leben wir, daß Einer

14
des Andern Last trage, und hiemit Gott empfohlen und Ihrem treuen

15
Andenken nebst Haus und Hof.

16
Johann Georg Hamann


17
Adresse mit Mundlackrest:

18
à Monsieur / Monsieur Chretien Jaques Kraus / homme de lettres /

19
presentement / à
Göttingen
.
/
Abzugeben in der Grünen Straße
. /

20
par fav.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 3.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 86–88.

ZH IV 91–94, Nr. 560.