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P. P.
wohl für praemissis praemittendis (wörtlich ‚mit Vorausschickung des Vorauszuschickenden‘), in der Bedeutung von ‚anstatt eines Titels‘
P. P.
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Ew.
Hochwolgeborne
statte zuförderst meinen ergebensten Dank für das
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Eloge
ab, das mir wegen der kleinen philosophischen Klätschereyen,
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Koketterien und Seitenblicke eines doppelten Lesens würdiger gewesen, als wegen
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der Sachen selbst oder der darauf verwandten Kunst. Endl. hab ich den ersten
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Lebensläufe
Hippel,
Lebensläufe
, Tl. 1 von 1778 (Hamann kannte wohl auch bereits Tl. 2, der zur Frühjahrsmesse 1779 erschien)
Theil der Lebensläufe bekommen und lege selbigen bey mit der überflüßigen
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Bitte es mir sobald als mögl. (weil es ein gelehntes und bereits dadurch
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gemisbrauchtes Buch) wieder zurück zu liefern. Ich sehe diese Bitte als
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überflüßig an, da ich von Ew. Hochwolgebornen gewißenhaften Gebrauch eines
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fremden Eigentums längst überzeugt bin.
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Nun hätte ich noch eine
Ladung von Bitten
, die kaum auf diesem ganzen
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Bogen Raum hätten – und ich befinde mich in einer so großen Verlegenheit,
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daß ich auf keinerley Art, meine litterarische Bedürfniße geschweige Neugierde
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zu befriedigen weiß, als durch Ihre geneigte Vermittelung.
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Zuförderst und
pro primo
bitte Ew. Hochwolgeboren mich zu meinem
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Universo
Dalberg,
Betrachtungen über das Universum
; Hamann verlieh sein Exemplar an die
Gräfin von Keyserling
anlässlich ihres Besuchs in Hamanns Garten, vgl.
HKB 565 ( IV 113/4 ).
Universo
zu verhelfen, das ich schon seit länger denn 14 Tagen zu einer
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Arbeit nöthig habe
im Zusammenhang von Hamanns Wiederaufnahme am Text der
Schürze von Feigenblättern
(Abschnitt „Charfreytagsbuße eines Capuziners“), vgl.
HHE 5
, S. 356f.
Arbeit nöthig
habe, worinn ich nicht von der Stelle kommen kann, ohne dies
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Büchlein vorher angesehen zu haben. Bücher sind kein Spielzeug für mich,
S. 135
sondern Handwerksgeräthe, gehören zu meines Lebens Nahrung und
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Nothdurft – Es ist also in mehr als einem Verstande wahre Unbarmherzigkeit,
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mich dieser Hülfsmittel zu entziehen. Dies
Universum
ist besonders ein
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doppeltes Andenken … unbeantworteter Brief
Herder
sandte im August 1777 im Auftrag
Dalbergs
ein Exemplar der
Betrachtungen über das Universum
an Hamann, vgl.
HKB 509 ( III 372/35 ) (daher das „doppelte Andenken der Freundschaft“); der „unbeantwortete Brief“ geht auf Hamanns ausgebliebenes Dankschreiben an Dalberg ein, an dem er sich auch später immer wieder versucht, vgl.
HKB 592 ( IV 194/18 ).
doppeltes
Andenken der Freundschaft, und ein noch
unbeantworteter
Brief,
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und ich bleibe keiner Seele was schuldig, die Bezahlung mag so lange
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währen und so schlecht ausfallen, wie sie wolle. Deshalb die Feder anzusetzen, wird
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saurer als ein Besuch
vgl. Hamanns verlegene Reaktion auf den Besuch der Keyserlings, in dessen Kontext er wieder an Dalberg und seine Schrift von 1777 erinnert wurde,
HKB 568 ( IV 123/24 ) mir noch saurer als ein Besuch, und ich würde schreiben, was und wie ich
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denke. Sollte es Ew. Hochwolgebornen möglich seyn dieser meiner
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Verlegenheit abzuhelfen: so würde ich dadurch unendlich verpflichtet seyn. Ueber diesen
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Punct will abbrechen, so vieles auch noch zu sagen hätte –
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Meine zweyte Bitte betrifft einen gewißen
Oehninger
– ob selbiger nicht
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in Hamberger u Meusel steht. Er soll den in seiner Blöße dargestellten sonst
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aber durch seine Scheinheiligkeit blendenden Capucinerorden geschrieben
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haben. Sollte dies Buch im Buchladen zu haben seyn, wo Ew.
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Hochwolgebornen bisweilen Geschäfte haben: so wäre es leicht mir auf ein paar Tage
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selbiges zu verschaffen – oder irgend eine andere
Nachricht
Schrift von diesem
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Orden
wegen Hamanns Interesse durch die Überschrift des Abschnitts „Charfreytagsbuße eines Capuziners“ in der
Schürze von Feigenblättern
Orden und der innern Geschichte deßelben.
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Meine dritte Bitte wäre auf heute noch um dero freundschaftliche
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Meß Neuigkeiten …
Bücher und literarische Neuigkeiten von der Herbstmesse für Hamann selbst, der durch seine angeschlagene Gesundheit, die Arbeit als Packhofverwalter am
Königsberger Licent
und dem Niedergang des
Kanterschen Buchladens
den Anschluss zu verlieren fürchtet, vgl.
HKB 573 ( IV 140/28 ).
Gewogenheit
en
,
sich
bey den gegenwärtigen Meß Neuigkeiten eines auf einer
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dritten Anhange …
Hamann meint wohl
Nicolais
als „Nachricht“ am Ende des 1. St. von Bd. 37 der
Allgemeinen deutschen Bibliothek
, S. 295–315 publizierten Text gegen
Wieland
, die nächste polemische Runde im Streit um die Übersetzung des
Life of John Buncle
, vgl.
HKB 545 ( IV 58/13 ) und
HKB 573 ( IV 141/11 ).
wüsten Insel verödeten
Arrestant
en sich zu erinnern, dem z. E. mit dem
dritten
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Anhange der A. D. Bibliothek
p p p
sehr gedient wäre.
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Ew. Hochwolgebornen werden vermuthlich so müde seyn, fortzufahren als
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ich selbst. Da ich nicht weiß ob dies Jahr im stande seyn werde auszugehen,
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denn wenige Lust habe ich dazu: so leb ich doch wenigstens der guten Hoffnung
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Ende der Welt leichter zu Pferde
Auerswald befand sich wohl in Garnison in
Bartenstein
, nachdem er den Bayerischen Erbfolgekrieg mitmachte (vgl.
Voigt:
Beiträge zur Geschichte der Familie von Auerswald
, S. 61
); den längeren Weg von Bartenstein zum Königsberger Licent, den der adlige und berittene Offizier eher zurücklegen kann als der kranke Hamann, meint dieser hier wohl mit ihrem jeweiligen ‚Ende der Welt‘.
daß Sie das Ende der Welt leichter zu Pferde erreichen werden, als ich das
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Hans Sachsen Gradu ad Parnassum
nach
Hans Sachs
, ist das eine Anspielung?!? Henkel: »an die Werkstatt gefesselt, in einsam fortschreitender Produktivität« ist doch Quatsch
Gradu ad Parnassum
Dt. schrittweise zum Parnass (Gipfel der Kunst bzw. Meisterschaft)
Ihrige mit
Hans Sachsen
Gradu ad Parnassum.
Halten Sie es für keine
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Pedanterie des Briefstyls, wenn ich mich – bis zum
mündlichen Mehr
–
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nennen darf Ew. Hochwolgebornen aufrichtig ergebensten Diener
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Johann Georg Hamann
30
den 1
Xbr.
79.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Depot Auerswald.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 104–106.
ZH IV 134 f., Nr. 572.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Hochwolgeborne ]
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Geändert nach Druckbogen 1943; ZH: Hochwolgebornen |