581
169/2
Kgsb. d. 5 Febr. 80. des Morgens.
3
Liebster bester Freund
4
Aufs Gerathe wohl schreib ich diesen Brief ohne zu wissen,
ob
u
wie
er
5
Stelle p. 6 meines Mst
im mit
HKB 580
übersandten Manuskript der
Zwey Scherflein
, vgl. die Erläuterungen zur Provenienz dort
abgehen wird. Er betrift eine Stelle
p.
6 meines
Mst.
die ich im Abschreiben
6
Kleck
eigentlich Flecken, Klecks (vgl.
Adelung, Bd. 2, Sp. 1612, s.v. Kleck
); hier wohl für die Kladde, welche für die Abschrift des
Zwey Scherflein
-Manuskripts als Vorlage diente; nicht überliefert
„Anstatt ist es Recht
In der Grundschicht schrieb Hamann: „Es ist nicht Rechtschreibung, Vorurtheile der Eigenliebe und Neuheit oder eignen Erfindung gegen das Vorurtheil des Alterthums und der Gewohnheit zu töten.“ Herder trug den veränderten Wortlaut („Er treibt …“) ins Manuskript ein und druckte es auch so, vgl.
Zwey Scherflein
, N III,240/15–18
aus dem Stegreif hinzugefügt u. im Kleck nicht steht.
„Anstatt
ist es
Recht
–
zu
7
tödten
, wollte ich setzen:
Er
treibt das Vorurtheil des Altertums
8
u der Gewohnheit aus durch
ein
Vorurtheile der Eigenliebe
u
9
Stelle im Matthäus
Henkel:
Mt 23,23
; ich sehe da keinen Zusammenhang, weder mit der Stelle in den
Zwey Scherflein
noch mit einem ‚Begriff des Tötens‘; mir fällt aber auch keine andere Stelle bei Matthäus ein; oder ist doch Mt 23,23–31 gemeint?!?
Neuheit oder der
eignen
E
mpf
rfindung
.
“
Durch Nachschlagung der Stelle
10
im Matthäus
gerieth
ich auf den Begriff vom tödten. Ich wünschte aber lieber
11
ipsissima verba
dt. buchstäblichen Worte;
meinen ursprünglichen Gedanken hergestellt zu sehen oder
ipsissima verba
12
ανακολουθον
Anakoluth, agrammatische Satzonstruktion
Vorurtheil der Eigenliebe … und der Gewohnhei
so wörtlich der Ausschnitt in
Allgemeine deutsche Bibliothek
,
Bd. 39, St. 1, S. 263
als ein
ανακολουθον
: „
Vorurtheil der Eigenliebe
,
und
Neuheit oder
13
der
eigene
n
r
E
mpf
rfindung
gegen das Vorurtheil des Alterthums
14
und der Gewohnheit
!“ Wählen Sie Selbst; aber in einem oder dem andern
15
Fall will ich die
Allgemeine deutsche Bibliothek
B.
XXXIX.
St. 1.
16
ausdrücklich citiren
Herder fügte die Anm. 15 handschriftlich ins Manuskript ein und druckte es auch so.
S. 263 ausdrücklich citiren, wodurch also 15 Noten werden. Lachen Sie mich
17
Stelle bey Hermes …
So in ED und
Hamann,
Zwey Scherflein
, N III,239/1; im Manuskript, S. 5 das „kleinen“ von Herder gestrichen und „feinen“ darüber geschrieben.
nicht aus – Noch eins in der Stelle bey Hermes: anstatt
kleinen
Nachdruck
18
der Affectation lieber
feinen
. Noch eins
p.
3 hatte ich ursprünglich gesetzt:
19
In der Handschrift des Briefs ist die Stelle „der Nachfolge (oder Nachahmung – oder“ von Herder mit roter Tinte gestrichen. Herder wählte also zunächst die Variante „in ästhetischer Nachahmung“, er trug jedoch „Gehorsam des Kreuzes in ästhetischer Nachfolge“ ins Manuskript der
Zwey Scherflein
, S. 3 ein (anstatt „Gehorsam der Nachahmung“ aus der Grundschicht) und druckte es auch so in ED, S. 12 (N III,240/15–18).
gele
leidende Gelehrigkeit, Gehorsam des
Kreutzes der Nachfolge (oder Nachahmung
20
– oder in
ästhetischer
Nachahmung)
Wählen Sie Selbst! Ueberlasse auch Ihnen wo
21
Sie können durch
Interpunction
oder Schwabacher Schrift den Verstand zu
22
punctiren
Eigentliche Hebräische Schriftzeichen mit Vokalpunkten versehen; hier typographische Hervorhebungen durch Schwabacher oder Sperrungen besorgen.
erleichtern, hoffe nicht daß mein Styl Ihnen so schwer zu
punct
iren seyn wird
23
Trescho
Sebastian Friedrich Trescho
als mir Trescho seiner wurde.
24
Sinngedicht des Oncles …
von
Johann Georg Hamann der Ältere
, publiziert als
Widmungsgedicht im 2. Bd. (4. Aufl.)
von
Brockes,
Irdisches Vergnügen in Gott
, vgl.
Zwey Scherflein
, N III,237/1f. und
HKB 580 ( IV 166/7 ) Das Sinngedicht des
Oncles
steht im 2
Bande
des Brockes. Zu den
25
Memoires Anecdotes …
Denis,
Memoires anecdotes de la cour et du clergé de France
; im Manuskript der
Zwey Scherflein
, S. 105 handschriftlich von Herder eingefügt und in ED, S. 21 gedruckt (N III,239/29)
Memoires Anecdotes de la
C. et du C.
de France
kann kommen
p.
108.
26
Des Abends.
27
Eloge
d’Alembert,
Éloge de Milord Maréchal
, wohl von
Auerswald
, vgl.
HKB 580 ( IV 165/23 ) und
HKB 597 ( IV 207/13 ) Ευρηκα, ευρηκα
nach vielem Suchen in der gantzen Stadt das
Eloge
des
28
Mlle Emeté … Kalmücken Stepan
Vgl. die Anekdote über
George Keith, 9. Earl Marischal
, dessen Mündel „Mademoisell Emété“ (die Tochter eines „Capitaine des Janissaires“), ihre Zurückweisung seiner erotischen Avancen und seine ‚edle‘ Reaktion darauf in
d’Alembert,
Éloge de Milord Maréchal
, S. 64, die Hamann in
Zwey Scherflein
, N III,231/7–9 aufnimmt; auf der Folgeseite ist bei d’Alembert von einem „Calmouk nommé Stepan“ die Rede, den Keith seinem Bruder zur Erziehung gegeben haben soll.
Mylord Marshall.
Ich habe die
Mlle Emeté
mit dem Kalmücken Stepan
29
Kalmücken sondern: Janitscharen-Muse
im Manuskript der
Zwey Scherflein
, S. 1: Grundschicht „kalmuckschen“ gestrichen, darüber von Herder „Janitscharen-“ geschrieben, und in ED, S. 3 gedruckt (N III,231/7)
verwechselt. Also nicht Kalmücken sondern: Janitscharen-Muse –
besonders
30
vornehmlich wenn sich die Liebeserklärung von einem allerheiligsten Vater
31
Abt herschreibt. Ich möchte lieber Pater Abbas sagen. Weil
Abbé
auch ein
32
Titel
ehemals
für Fürsten war.
33
Gevatter Prälat
Herder, nach dessen Rang als Sachsen-Weimarischer Generalsuperintendent
Vergessen Sie doch nicht, Gevatter Prälat, die äußere u innere
Titulatur
an
34
Statthalter in Erfurt
die Briefanredeformeln für Hamanns angedachtes Dankschreiben an
Carl Theodor von Dalberg
, vgl.
HKB 573 ( IV 139/11 ) den Statthalter in Erfurt, wenn ich den Kützel bekommen sollte an ihn zu
35
schreiben. Ich mag niemanden gern schuldig bleiben – auch vergessen Sie
S. 170
verlorne Kind
das ‚Päckchen‘ mit
Giorgi,
Alphabetum Tibetanum missionum apostolicarum commodo editum
für die 2. Aufl. des
Konxompax
und dem
Weimarischen Gesang-Buch
, vgl.
HKB 574 ( IV 145/26 ) Hartung
Gottlieb Leberecht Hartung
nicht das verlorne Kind in Leipzig. Hartung ist Bräutigam wie es heist mit
2
litthauschen Mädchen
Sophie Charlotte Hartung
Habeat sibi
Soll er es haben; lateinische Redensart
einem schönen u noch reichen litthauschen Mädchen.
Habeat sibi.
3
Morgen so Gott will halte meinen ersten Kirchgang in diesem Jahr;
4
Hippel
Theodor Gottlieb Hippel
Mlle Stoltzin
Caroline Stoltz
Mittag bey Hippel. Nachmittags muß Kindelbier geben;
Mlle
Stoltzin hat sich
5
Scherflein
Hamann,
Zwey Scherflein
Dom. Reminiscere
20. Februar 1780
anmelden lassen u ist reisefertig nach Curl. Die Scherflein werden zum
Dom.
6
Reminiscere
mit dem Kananäischen Weiblein ankommen.
7
d. 7 –
8
Last und Hitze
Mt 20,12
Ich fühle noch die Last und Hitze des gestrigen Tages, und weiß nichts
9
hinzuzusetzen
als den Wunsch, daß Sie mit allen den Ihrigen gesund sein mögen,
10
mir bald gute Nachrichten davon ertheilen können, mich bestens Ihrer
11
Gemalin
Caroline Herder
Gemalin meiner verehrungswürdigen Gevatterin empfehlen u mir die Arbeit
12
die ich Ihnen mache, mein Geschmier zu errathen, nachzuflicken u. zur Welt
13
zu bringen, nach Ihrer alten bewährten Freundschaft vergeben, in Ansehung
14
meiner gehäuften Schulden aber, bis zu meiner
Besserung
Gedult haben u
15
von dem besten Willen diesseits versichert leben. Ich ersterbe der Ihrige
16
Johann Georg Hamann.
17
Adresse:
18
Herrn / Herrn Herder / General-Superintendenten / zu /
Weimar
.
franco
. Halle
Provenienz
Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 10787, Nr. 3).
Bisherige Drucke
Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 331.
ZH IV 169 f., Nr. 581.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
169/2 |
Kgsb. […] Morgens.] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Kgsb. d. 5. Febr. 80 des Morgens. |
|
169/6 |
„Anstatt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Anstatt „ |
|
169/7 |
tödten |
Geändert nach der Handschrift; ZH: tödten “ |
|
169/7 |
Er |
Geändert nach der Handschrift; ZH: „ Er |
|
169/9 |
eignen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: eigenen |
|
169/9 |
E mpf rfindung . “ |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Erfindung .“ |
|
169/10 |
gerieth ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: geriet |
|
169/13 |
E mpf rfindung ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Erfindung |
|
169/19 –20
|
Kreutzes […] in] |
In der Handschrift ist „der Nachfolge (oder Nachahmung – oder“ von Herder mit roter Tinte gestrichen. |
|
169/20 |
Nachahmung) ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Nachfolge. |
|
169/24 |
Oncles |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Oncles |
|
169/25 |
C. et du C. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: C et du C |
|
169/27 |
Eloge |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Eloge |
|
169/28 |
Mylord Marshall. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mylord Marshall. |
|
169/31 |
Abbé |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Abb é e |
|
169/32 |
ehemals ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ehmals |
|
169/33 |
Titulatur |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Titulatur |
|
170/9 |
hinzuzusetzen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hinzusetzen |
|
170/14 |
Besserung ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Besserung, |
|
170/18 |
Herrn […] Halle] |
Geändert und hinzugefügt nach der Handschrift; ZH: Herrn / Herrn Herder / General-Superintendenten / zu / Weimar . franco . |