586
S. 174
Mariä Verkünd.
25. März
Heil.
Abend u
Mariä
Verkünd. 780.

3
Tausend Seegen der
Krone
aller
Frauen
und
Mütter
– und heil mir, daß

4
ich Sie meine
Freundin
und
Gevatterin
nennen kann.
Amen in secula

5
seculorum. Amen.

6
Ihr Stillschweigen
vor Herders Sendung, die am 24. März (
s.u.
) in Königsberg eintraf und deren Begleitbrief nicht überliefert ist
Ich vergieng vor Gram u Grillen über Ihr Stillschweigen, liebster, bester

7
fünf Briefe
nach Herders letztem Brief, der am 12. Dezember in Königsberg eintraf (vgl.
HKB 573 ( IV 136/3 )
), schrieb Hamann tatsächlich fünf Briefe nach Weimar,
HKB 573
,
HKB 574
,
HKB 576
,
HKB 580
und
HKB 581
Herder! auf meine fünf Briefe – denn so viel sind es in allem, die ich Ihnen

8
geschrieben. „Ist Er krank? oder die Seinigen? Hat Er Dir auch übel

9
genommen Dein Geschmier u Geilen? Eigene Geschäfte mögen Ihn verdrieslich

10
Verdrus wegen Censur p
Bezieht sich auf das Manuskript der
Zwey Scherflein
, das Hamann an Herder zum Druck nach Weimar sandte, und dort auch die Zensur passierte, vgl. die Provenienz-Beschreibung zu
HKB 585
machen? Hast Du Ihm auch Verdrus wegen
Censur p
zugezogen?“ Und so

11
Quarantaine
zuvor von Hamman für seinen häuslichen Rückzug wegen Krankheit verwendet, vgl. etwa
HKB 580 ( IV 167/22 )
giengs in meiner Seele auf und nieder. Ich habe eine
Quarantaine
im

12
eigentlichsten Verstande ausgehalten, und wie ein Gefangener eingeseßen, weder

13
Loge
Hamanns Arbeitsraum am
Licent
, vgl.
HKB 484 ( III 306/18 )
; wohl leicht ironisch-abfällige Bezeichnung (vgl.
Krünitz
, s.v. Loge: „eine Hütte, ein kleiner mit Brettern verschlagener Raum, ein Hundestall, eine Schiffskammer etc. etc. heißt“), ohne Bezug auf Freimaurer- oder Theaterlogen.
Kirche noch Menschen besucht, als mein
Bureau
oder meine Loge, mir u den

14
Meinigen zur Last.

15
Maran Atha
Herder,
Maran Atha
wohl Hamanns ausführliche briefliche Rezension von
Herder,
Maran Atha
in
HKB 574 ( IV 147/5 )
Es gieng mir eben so mit Ihrem
Maran Atha.
Ich zählte gestern die Wochen

16
Ich zählte … jüngsten Briefe
HKB 581
: von Do, 5. Februar 1780 gerechnet tatsächlich sieben Wochen (der 25. März war auch ein Donnerstag); zur Siebenzahl vgl.
HKB 536 ( IV 31/8 )
.
nach, und es waren nur sechs; nun aber 7 nach meinem jüngsten Briefe. Ich

17
Briefe an den Bischof zu Sardes
vmtl.
Herder,
Maran Atha
, ED, S. 287; zu
Melito von Sardes
vgl. auch
HKB 569 ( IV 127/20 )
fieng ihn gestern an zu lesen und machte eben eine Pause bey dem Briefe an

18
gestern erhört wurde
Brief von Herder nicht überliefert
den Bischof zu Sardes, als ich wider alles Erwarten u Vermuthen gestern

19
gedrucktes
Hamann denkt an Durchführung und Übersendung des Drucks der
Zwey Scherflein
; Herder sandte die Schrift Mitte Mai, vgl.
HKB 590 ( IV 186/11 )
.
erhört wurde. Ich sah es ihm gleich an, daß er nichts gedrucktes in sich hielt

20
Einladung
eine Einladung Herders nach Weimar in seinem nicht überlieferten Brief,
s.u.
und war beruhigt und völlig schadlos gehalten durch Ihre
Einladung
, durch

21
die kleine Anecdote des
tägl. Mahnens
, die mir durch Mark und Beine

22
Beylage
Die Sendung enthielt das Manuskript zu den Gesprächen 4 und 5 von
Lessings
Ernst und Falk
, vgl.
Herders handschriftliche Anmerkung
.
gieng – und durch die gantz aufgegebene u fast vergeßene
Beylage
, welche ich

23
noch den Abend copiret und sie mit dem
innigsten Dank
und

24
gewißenhaftesten Verbindlichkeit
gegen Sie sowol als den Verf. in meinem

25
zurück liefere
Hamann sandte das Manuskript nach der schnell getätigten Abschrift wohl mit diesem Brief zurück; Herder sandte das Manuskript am 29. April 1780 an
Lessing
zurück, mit einem Druck der
Zwey Scherflein
, vgl.
HBGA
, Bd. 4, S. 114f.
Müntzkabinet
vergraben
u zurück liefere. Habe ich Recht verstanden, so scheint der

26
Erl.
Erlaubnis; ob mit oder ohne Erlaubnis – Hamann ließ das Manuskript von
Lessings
Ernst und Falk
in den
KGPZ
abdrucken.
Verf. auch seine Erl. auf mich ausgedehnt zu haben, oder wenigstens zu wißen,

27
daß ich darnach neugierig gewesen. Ich habe viel Licht über das
mir

28
unbekannte Schema
Gemeint ist wohl der Sinn und das ‚Geheimnis‘ der Freimaurerei.
unbekannte
Schema
erhalten – aber nicht so viel Glauben am
Kern
, und verstehe

29
nichts von Falken Enthusiasmus u Geschmack daran oder Sinn deßelben.

30
Hartk.
Johann Friedrich Hartknoch
, auf dem Weg zur Leipziger Ostermesse
Hartk. ist mit seiner Frau hier recht früh erwartet worden, aber er ist noch

31
nicht zu sehen, noch zu hören. Daß er nicht geschrieben, kommt uns allen

32
bedenklich vor. Vor Abgang des Briefes werde mich nach ihm erkundigen. Zu

33
Erlaubnis von Berl.
von seinen Vorgesetzten in der
General-Akzise- und Zoll-Direktion
einer Reise muß ich Erlaubnis von Berl. und geht sie über die Gränzen,

34
Cabinet
das
Generaldirektorium
, vgl.
Adelung, Bd. 1, Sp. 1291, s.v. Cabinett:
„[…] ingleichen ein Collegium der vornehmsten und vertrautesten Minister, welchen ein Herr die Geheimnisse seines Landes anvertrauet“
unmittelbar aus dem Cabinet haben. Dieser Fall ist kürzlich an einem

35
Officianten
nicht ermittelt
Officiant
en, der in meiner Loge arbeitet u einer Erbschaft wegen nach Warschau auf

36
ein paar Wochen gieng, mir einleuchtend worden, als ein neuer Beweis der

S. 175
glebae adscripti
wörtl. zur Scholle Gehörige; Leibeigene
alten Wahrheit, daß wir alle
glebae adscripti
sind. Brauch ich Einladung!

2
Sie können sich nicht vorstellen, wie nöthig eine Reise für meine Lebensgeister

3
u Herzensfibern ist. Gott hat alle meine Wünsche bisher erfüllt – also auch

4
diesen. Je mehr die Hofnung abnimmt, desto mehr wächst mein Glaube.

5
Viuit! …
Dt. [Christus] lebt! Er lebt! Wohl auf Johannes Mathesius zurückgehende Legende über Luthers Verhalten bei Betrübnis und Anfechtungen, vgl. etwa
Mayer:
Unsterblicher Lutherus
(Hamburg 1698), Vorrede S. 1
Viuit! viuit!
schrieb Luther einmal an Tische u Wände – Bey Erwartung Ihres

6
Briefes hab ich gnug dran gedacht; und die Erhaltung deßelben war ein

7
rechtes
Viuat!
für mich. Nun Gott wolle Ihnen auch helfen Ihre fatale

8
Arbeiten
überstehen
Was Nichtsthuereygeschäfte sind u ihren tödlichen

9
unser Fleisch … Pfahl
2 Kor 12,7
Ueberdruß kenne ich; aber unser Fleisch, unser Fleisch hat diesen Pfahl nöthig, und

10
Gedult ist eine Heldentugend.

11
gezweifelt … gedruckt werden können
wegen der Zensur in Weimar, vgl. die Provenienz-Beschreibung zu
HKB 585
Mit meinen Scherflein hat es Zeit. Ich habe daran gezweifelt, daß Sie dort

12
würden gedruckt werden können, da man in Leipzig so schwierig gewesen in

13
Meßkatalog
im
Messkatalog für Ostern 1780
sind die
Zwey Scherflein
nicht aufgeführt, auch nicht im Katalog für Michaelis
Ansehung der hieroph. Briefe. Es wäre mir lieb, wenn sie in dem Meßkatalog

14
Lichtenbergs Vorrede …
Lichtenbergs
satirischer Kommentar zu Klopstocks Orthographiereform im
Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur
, Vorrede, [S. 2–5]
angemeldet würden; doch auch hieran ist nichts gelegen. Lichtenbergs Vorrede

15
Cramers neue Erscheinung
Cramer,
Klopstock. Er und über ihn
zum Gött. Mag. u Cramers neue Erscheinung haben eben den Einfluß in

16
Praevenire
Zuvorkommen im Sinne von Verhindern; unklar, wohl im Kontext von Herder und
Lavater
mich, den die Winke aus der Schweitz für Sie, das
Praevenire
zu spielen. Ich

17
einzige Abschrift
wohl die nicht überlieferte Vorlage für das
Zwey Scherflein
-Manuskript an Herder, vgl.
HKB 581 ( IV 169/6 )
habe nichts als eine einzige Abschrift übrig behalten, und mancherley Zusätze

18
gemacht, die ich nicht im stande bin durch das Gedächtnis wieder herzustellen

19
spermologischer Styl
wohl nach
Apg 17,18
„σπερμολόγος“, Übers. Lutherbibel: ‚Lotterbube‘, heute ‚Schwätzer‘
oder mir zu ergänzen. Mein spermologischer Styl erlaubt nicht mehr Feile

20
oder Correctur des Geschmacks. Bey dem allen wünschte ich mich aus der

21
Manier, die mir mehr scheint zur Natur geworden zu seyn, als sie es vielleicht

22
nicht ist, heraus arbeiten zu können.

23
Komm ich nicht zu
spät;
so wünschte ich auf dem griechischen Titulmotto ein

24
kleines Jota … großen Ι
Auf dem nicht überlieferten Titelblatt der
Zwey Scherflein
(vgl.
HKB 580 ( IV 166/14 )
) stand im Motto nach
Mt 5,18
offenbar zunächst ein großes Iota (Ι), das Hamann hier zu einem kleinen (ι) zu ändern wünscht; im Druck führte Herder dies jedenfalls aus, vgl. N III,
ana eines Prälaten
In Anmerkung 10 des Manuskripts an Herder stand zunächst hinter dem Hinweis „oder die Memoires anecdotes de la Cour et du Clergé de France p. 108“ (N III,239/28f., vgl. auch
HKB 580 ( IV 165/27 )
) ein weiterer Hinweis, nämlich „oder Ana eines Prälaten“; Herder strich letzteren im Manuskript und druckte ihn auch nicht.
kleines
Jota
ι
an statt eines großen
I
und
ana
eines Prälaten
in der Note

25
ausgestrichen. Das ist alles, was ich mich besinnen kann.

26
Dato Ihres letzten Briefes
wohl der nicht überlieferte Brief Herders, mit dem er
Maran Atha
übersandte, der am 28. Oktober 1779 ankam, vgl.
HKB 569 ( IV 124/22 )
Innschrift Ihres Maranatha
wohl Hamanns Eintragung des Empfangsdatums „Simonis Judä“ in sein Exemplar des
Maran Atha
Aus dem
Dato
Ihres letzten Briefes vergl. mit der Innschrift Ihres

27
Maranatha
ersehe, daß die fahrende Post 20 Tage u folglich noch einmal

28
solange als die reitende geht.

29
Die alte Handschrift, welche in dem
Catalogo
der Hiesigen

30
Distinctiones in Apocalyp.
nicht ermittelt; vgl.
HKB 580 ( IV 167/36 )
Schloßbibliothek den Titul:
Distinctiones in Apocalyp.
führt, habe angesehen. Die

31
Aufschrift ist aber ein Irrthum. Es ist
aber
gar nicht von der
Apocalypsi
die

32
Tractat de VII. vitiis cardinalibus
Traktat über die sieben Hauptlaster
Rede sondern ein
Tractat de VII. vitiis cardinalibus.
Am Anfange aber steht

33
auf einigen Seiten eine Art von Erscheinung oder
Vision,
die ich nicht der

34
Mühe werth gehalten zu entziffern, zum Verdrus meiner Augen.

35
Kypke Catalog
der Katalog für die Versteigerung der Bibliothek des verstorbenen
Georg David Kypke
, vgl.
HKB 576 ( IV 158/1 )
Von Kypke
Catalog
sind erst 3 Bogen fertig. Von seinen Handschriften ist

36
durchschoßene N. T.
wohl ein Manuskript mit Zusätzen für die
Observationes Sacrae in Novi Foederis Libros
aus Kypkes Nachlass, vgl.
HKB 576 ( IV 158/1 )
nichts als das durchschoßene N. T. und ein arabisches
Dictionarium
über die

37
Uebersetzung des N. T. Erstes bin ich bis zum 2ten Brief an die Korinther in

S. 176
Vergleichung mit seinen
Obseru.
durchgegangen. Das meiste ist schon

2
gedruckt; und doch kann ich nicht begreifen warum er an
sehr wenigen Stellen

3
Vide impressa
anführt; weil man wahrscheinlicher weise schließen sollte, daß

4
seine
Obseruationes
ein Auszug dieser Handschrift sind. Fast alle Noten sehen

5
nach folgendem Schlage aus

6
ad Rom.
1. 3.
σπερμ
.
Xenoph.
162.
Thuc.
124
Sophocl.
175.

7
9.
Myth.
49.
Dem.
370.
Jos.
811. 840. 861.
Plut.
106.

8
Selten so: als 1
Cor XV.
29. getauft werden
i. e.
viel Leiden ausstehen
Vide

9
iudic. Liban. Achill. Tat.
13.

10
Demohngeachtet hab ich die vielleicht sehr vergebene Arbeit über mich

11
genommen alle Stellen die nicht in den
Obseru.
stehen, auszuziehen – vielleicht für

12
meinen Sohn, mit dem ich jetzt gottlob! schon zum dritten mal das N. T.

13
durchgehe, u den Anfang im Hebr. gemacht habe, worinn aber selbst wider ein

14
Ihren Horatz
Bentleys Ausgabe der
Horazischen Oden (Hamburg 1733)
, vgl.
Biga
 17/268
Schüler werden muß. Im lateinschen haben wir jetzt Ihren Horatz, mit

15
Ouidii Metamorphos
Ov.
met.
Endigung des 1. Buchs der Oden bin aber gesonnen
Ouidii Metamorphos.

16
vorzunehmen, der ewigen Mythologie wegen. In
Ernesti Initiis
haben wir eben

17
Suetonii
Sueton
die
Psychologie
zu Ende gebracht, u die kleinen Werke des
Suetonii,
deßen

18
Vitas Imp.
Sueton,
Kaiserviten
Platons Phädon
Plat.
Phaid.
Vitas Imp.
wir wills Gott nach den Feyertagen anfangen werden. Platons

19
beyden deutschen Uebersetzungen
Eine meint sicher
Mendelssohn,
Phaedon oder Ueber die Unsterblichkeit der Seele
, die andere kann keine andere als die ziemlich unbekannte
Phaidon
-Übersetzung August Wilhelm Ortlobs von 1771
sein.
Phädon lesen wir jetzt zum 2ten mal in Vergleichung der beyden deutschen

20
Uebersetzungen.


21
Den 27 –

22
emauntischen Spatzierweg
Lk 24,13
Gestern morgen thaten wir einen emauntischen Spatzierweg zusammen

23
nach der Roßgärtschen Kirche
wohl in die Altroßgärter Kirche im Hinterroßgarten, nordöstlich des Schlosses auf der anderen Seite der Stadt vom Packhof
Cons. Räthin Lindner
Auguste Angelica Lindner
nach der Roßgärtschen Kirche, um die alte Cons. Räthin Lindner im

24
Vorbeygehen zu besuchen. Ich habe sie vielleicht zum letzten mal gesehen; und es

25
schien ihr eine unverhofte Freude zu seyn.

26
Es thut mir weh u leid gnug, liebster bester Gevatter, daß ich Ihnen mit

27
Dachens Gemälde
von
Simon Dach
, vgl.
HKB 574 ( IV 152/29 )
nichts eine Freude machen kann. Dachens Gemälde hatte Ihnen zugedacht.

28
Wallenrodschen Bibliothek
Im südlichen Turm des Doms auf dem Kneiphof; es geht wohl um Gedichte Simon Dachs im Kontext ihrer Sammelbemühungen um eine neue Neuausgabe.
Man erhält nichts von der Wallenrodschen Bibliothek, (auf der ich noch in

29
meinem Leben nicht gewesen, und neulich
im
April gegangen bin, weil der alte

30
Christiani
krank war) ohne Erlaubnis der hochadl. Familie; welche mir

31
Hippel zu verschaffen versprach. Es ist aber nichts draus geworden wie aus

32
mehr Kleinigkeiten, die meine Ruhe u Angelegenheiten betreffen u blos von

33
seinem guten Willen abhängen. Ich habe ihn lange, sehr lange nicht besucht

34
noch gesehen, kann mich aber länger nicht entziehen mich diese Woche
wider

35
als
Client
zu melden.

36
Leßings Antwort
Zu
Lessings
Lebzeiten ist eine Antwort nicht mehr erschienen, sein Bruder veröffentlichte aber in
Lessings Theologischem Nachlaß
(1784) den Entwurf
An die Traditoren,
an dem Lessing 1780 arbeitete, vgl. S. 24–28 und 93–100.
Walchs Schrift habe mit recht viel Antheil gelesen. Leßings Antwort

S. 177
Wielands Oberon
Wieland,
Oberon
, von dem Herder offenbar in seinem nicht überlieferten Brief schrieb (vgl. auch Caroline Herders Brief an Gleim, 2.1.1780,
HBGA
, Bd. 4, S. 110)
interessi
rt mich eben so sehr, wie Sie – und andere Wielands Oberon. Walch

2
muß entweder die Frage misverstanden, oder Leßing wichtigere Stellen

3
entgegenzusetzen haben. Die Untersuchung wird immer nützlich seyn – Vielleicht

4
ist ihre beyderseitige Arbeit Erndte für den dritten.

5
Ein Hauptgedanke ist mir in meinen Scherflein entfallen; nemlich

6
Orthographie nach dem Ohr ist eben das Steckenpferd was Theologie nach der

7
Vernunft. Philosophie ist Aussprache; Schrift ist Schrift. Beyde aber
υποδειγματα
,

8
υποδειγματα … αντιτυπα
Vorbild, Schatten und Gegenbild, nach
Hebr 8,5
und
Hebr 9,24
σκιαι
und
αντιτυπα
beßerer, wahrer und geistlicher Dinge. Beyde
in

9
abstracto
betrachtet sind zwey gerade Linien, die entweder ewig
parallel
laufen

10
oder sich einander durchschneiden und eben aus dem Punct ihrer Vereinigung

11
sich ins unendliche von einander entfernen müßen. Es ist ein Glück für mich,

12
daß ich die Spur dieser mit mir grau gewordenen Grille ganz verloren, sonst

13
hätte ich darüber gebrütet und wäre nicht fertig geworden, weil meine Theorie

14
über diese beyde
locos communes
noch nicht reif ist.

15
Entschuldigt … bereits
HKB 581 ( IV 170/12 )
Entschuldigt hab ich mich bereits deswegen daß ich Ihnen die Mühe

16
zugemuthet die Herausgabe dieser Kleinigkeit zu besorgen; also bitte ich nur

17
alles zum Besten zu kehren. Ersatz, reichen Ersatz habe bereits an

18
zurückkommender Beyl.
s.o.
zurückkommender Beyl. erhalten. Erfreuen Sie mich noch mit glücklicher

19
Vollendung des Abdrucks.

20
Pack
Herders ‚Päckchen‘ mit
Giorgi,
Alphabetum Tibetanum missionum apostolicarum commodo editum
für die 2. Aufl. des
Konxompax
und dem
Weimarischen Gesang-Buch
, das durch
Hartungs
Nachlässigkeit nicht bei Hamann ankam; vgl.
HKB 581 ( IV 170/1 )
Kommt Hartknoch nicht; so weiß ich noch nicht, was aus Ihrem Pack

21
werden wird. Hartung wird sich kaum damit abgeben. Eins von Schellenberg

22
liegt auch in Leipzig. Wüst ich die
addresse;
so könnte ich es durch ein hiesiges

23
Friedlaender
Wolff Friedländer
jüdisches
Comptoir, Friedlaender,
vielleicht am leichtesten erhalten.

24
Sagen Sie mir doch auch Ihre Meynung über Falk. Was
ich
man selbst

25
nicht
weiß
, ist das einzige Geheimnis, das man nicht sagen
kan
, wenn man

26
Brücke ohne Lehne
nach dem
Häfeli
-Zitat und der Abschnittsbenennung in der
Schürze von Feigenblättern
auch gerne wollte. Hier ist für mich eine Brücke ohne Lehne.

27
Me Hartknoch Schwester
Sophie Marianne Courtan
, vgl.
HKB 587
Eben jetzt erhalte von
Me
Hartknoch Schwester die gute Bothschaft, daß

28
zwar keine Briefe eingelaufen aber ein Fremder angekommen, der in

29
er am Grünen Donnerstag
Johann Friedrich Hartknoch
, am 23. März 1780
Gesellschaft gehen wollen aber nicht warten können und dem zu Folge er am Grünen

30
Donnerstag abgehen sollen, folgl. erst mit dem Ende dieser Woche hier

31
eintreffen kann. Gott gebe ihm eine gute Reise zu uns u zu Ihnen. Im Geist

32
werd ich ihn begleiten – so wie ich alle Morgen u Abend mit meinen Gedanken

33
erhielten Sie …
im Falle einer Reise Hamanns nach Weimar,
s.o.
bey Ihnen bin. Bey meiner gegenwärtigen Lage erhielten Sie nichts als ein

34
Gespenst, unvermögend zu
reden
und zu
schreiben
. Ich bin jetzt trüb vor

35
Gährung und innerlicher Arbeit, die erst überstanden seyn muß um ein alter

36
milder schmackhafter Wein zum Genuß der Freundschaft zu seyn.

37
Frau Gevatterin
Caroline Herder
Versichern Sie nochmals meiner liebens- und verehrungswürdigsten Frau

S. 178
Gevatterin, daß Sie ein gut Werk gethan, den Herrn

2
gemahnt
wohl ermutigt zu haben, Hamann zu schreiben, wie Herder im nicht überlieferten Brief vmtl. erzählte
General-Superintendenten trotz aller Seiner Nichtsthuereygeschäfte von Tag zu Tag gemahnt und

3
nicht ehe Ruhe gelaßen zu haben. Einer durstigen Seele kann ein Trunk kalt

4
Waßers nicht so wol thun als durch einen Brief aller der ängstlichen

5
Besorgniße wegen Ihrer Gesundheit, etwanigen Verdrußes und Misverständnißes

6
auf einmal entledigt zu seyn, die mich wie ein schwerer Stein gedrückt haben.

7
Dort Schnuppen, Catharr
p
hier Ausschläge u andere Kleinigkeiten. Mein

8
HausMutterchen
Anna Regina Schumacher
HausMutterchen hat sich auch heute legen müßen mit Frost u Hitze die ihr

9
lange in Gliedern gelegen haben. Pathchen ist auch ein paar Tage vermuthlich

10
an Zähnen und bey der Gelegenheit ganz unartig gewesen, aber nach einem

11
Schmackostern
volkstümlicher Brauch zu Ostern im deutschen Osten, scherzhaftes Schlagen von Frauen und Mädchen mit einer Rute der ersten grünenden Birken, vgl.
DWB, 1. Aufl., Bd. 15, Sp. 900, s.v. schmackostern
und
HKB 1144 ( VII 437/12 )
kleinen Schmackostern ein recht liebes Kind geworden. Hänschen verspricht

12
sich Ihrer gütigen Einladung würdig zu machen. Was ich für ein

13
wunderliches u schwaches Werkzeug von Vater bin, läßt sich gar nicht denken. Eine

14
wahre Glucke, der man Enteneyer untergelegt.

15
Archid. Matthes
Friedrich Wilhelm Matthes
Nun will ich zu meinem Beichtvater
Archid.
Matthes gehen u den Abend

16
da zubringen. Er hat mich vor 8 Tagen eingeladen u ich bin lange nicht bey

17
ihm gewesen. Der neue Großkanzler wird hier erwartet u Minister von
Gaudi

18
unsers verfallnen Handels
Im Frühjahr 1780 schickte
Friedrich II.
Gaudy
und den Geheimen Finanzrat Tarrach nach Königsberg, um die Gründe für den Rückgang des Handels zu ermitteln. Sie nannten als Ursache: Feuersbrünste, die Unruhen in Polen, die Abtretung Weißrußlands von Polen an Rußland, die hohen preußischen Zölle auf polnische Produkte, das Salzmonopol, und empfahlen, die hohen Zölle abzubauen und den Königsberger Kaufleuten den Handel mit seidenen und wollenen Waren und den Salzhandel nach Litauen freizugeben. Friedrich II. bedachte diese Vorschläge mit Hohn. – Zum Niedergang des ostpreußischen Handels in den späten 1770ern, der ‚Expedition‘ Gaudys und Tarrachs nach Königsberg, um die Gründe dafür zu eruieren sowie zu Friedrichs II. Reaktion auf den Bericht vgl.
Hugo Rachel: Die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Preußens 1740–1786, Berlin 1928 (Acta Borussica, Alte Folge, Reihe 2, Abt. C, Bd. 3,2)
, S. 511–530
der sich einige Wochen unsers verfallnen Handels wegen aufgehalten, soll

19
Kypkes Nachfolger
Johann Christian Wilhelm Diederichs
, Nachfolger
Kypkes
morgen abgehen. Kypkes Nachfolger wird auch erwartet. Pleßing hat vor

20
meiner Bekantschaft eine Predigt mit 2
Dedication
en u eben so viel Anhängen

21
weitläuftige Deductio …
in den
KGPZ
, Jg. 1780, S. 61 (nicht überliefert); vgl. die Erwähnung in
Hagen: Geschichte des Theaters in Preußen (Königsberg 1854), S. 305
: „Weitläuftig wurde sie vom Theologen Plessing (nachmaligem Professor in Duisburg) in der Kanterschen Zeitung beurtheilt und alle Fehler in ihr aufgedeckt.“
drucken laßen; seitdem eine weitläuftige
Deductio
über die
Galora
von

22
sat prata biberunt
dt. Genug schon tranken die Wiesen; Ende von
Verg.
ecl.
, 3,111; zum Abbruch der Beziehungen zu
Friedrich Plessing
vgl.
HKB 589 ( IV 185/26 )
Venedig geliefert. Unser Umgang dörfte wol zu Ende seyn –
sat prata biberunt.

23
Unser alte Freund Kanter ist vom König in Schutz genommen gegen seine

24
Kanter … Creditoren
Johann Jakob Kanter
von
Friedrich II.
, infolge des Niedergangs seiner Unternehmungen und des drohenden Bankrotts; die ‚Creditoren‘ meint vor allem das
Kadesche Comptoir
, vgl.
HKB 574 ( IV 149/17 )
.
muthwilligen
Creditor
en
u seine Zeitung ist gantz verwayst, daß man

25
Recension …
aus der
Allgemeine deutsche Bibliothek
plagiiert, da kein Redakteur für den gelehrten Teil der Zeitung mehr beschäftigt werden kann
heute sogar eine
Recension
aus der allgemeinen deutschen Bibliothek
sans façon

26
Hofger. R. Graun
Carl Ferdinand Graun
hat borgen müßen. Der
Contract
mit einem gewißen Hofger. R.
Graun
ist

27
zurück gegangen und Kanter lebt gantz für seine Mühle u sein Landgut. Mein

28
Brahl
Johann Brahl
junger Freund Brahl hat sich zum Anfange dieses Jahrs müde getummelt auf

29
Distel- u Dornenacker
1 Mo 3,18
diesem Brachfelde oder Distel- u Dornenacker.

30
Nun ich bin zu Hause gekommen um Ihnen noch eine gute Nacht zu

31
wünschen. Gott seegne Sie und Ihr ganzes Haus und erfülle alle unsere besten

32
Wünsche. Mein klein Gesinde schläft und mein Hausmutterchen stöhnt vor

33
Hitze u Uebelkeit. Gott empfohlen
au revoir, au revoir.
Ich ersterbe Ihr treu

34
verpflichteter und ergebenster

35
Johann Georg Hamann.



S. 477
Handschriftliche Anmerkung von Johann Gottfried Herder zu

21
HKB 586 (IV 174/22) „Beylage“:
Nemlich das Msc. der Fortsezung von

22
Lessings Ernst u. Falk.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 196–197.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 120–125.

ZH IV 174–178, Nr. 586.

Zusätze fremder Hand

477/21
–22
Johann Gottfried Herder

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
174/1
Abend u
Mariä
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Abend
Mariä
175/8
überstehen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
überstehen.
175/23
spät;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
spät,
176/7
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
–   –
176/34
wider
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
wieder
178/21
Deductio
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Deduction
477/20
–22
Handschriftliche […] Falk.]
In ZH im Apparat.